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Wie verändert die Digitalisierung die Branche der Industriekameras? – Mark Hebbel (Basler AG)Die Basler AG ist ein klassischer Hidden Champion. Der Mittelständler bietet Kameralösungen für Industrie, Verkehr, Medizin und Retail an. Im Jahr 2017 verkaufte das Unternehmen aus Ahrensburg rund 500.000 Kameras. Damit gehört die Basler AG zu den Weltmarktführern ihrer Branche.
Im Interview mit Nils erklärt Mark Hebbel, Head of Software Solutions bei der Basler AG, wie sich die Anforderungen an die Kameras im Zuge der Digitalisierung verändern, welche neuen Möglichkeiten sich bieten und wie neue, innovative Produkte in Zusammenarbeit mit kleinen, spezialisierten Startups entstehen.
Vom Kameraanbieter zum Software-Dienstleister
Ursprünglich hat die Basler AG individuelle Industriekameras entwickelt und gefertigt. Mit zunehmender Digitalisierung wird die Entwicklung von IoT-Geräten, die mit den Kameras verbunden sind, und Software, die die Daten auswertet, aber immer wichtiger.
Um diese Software anbieten zu können, arbeitet das Unternehmen seit einiger Zeit mit anderen Unternehmen zusammen – und zwar insbesondere mit spezialisierten Startups. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Denn, so Hebbel, kleine Startups hätten die besten Ideen und würden die neuste und innovativste Software herstellen. Oft hätten sie aber keine eigenen Sales Channels. Deshalb sei eine Zusammenarbeit nur naheliegend: Die Basler AG lässt sich die Software von den Startups lizensieren und verkauft sie dann über ihren Vertriebskanal. Beide Unternehmen bleiben unabhängige Firmen, aber profitieren von der Kooperation, indem die Basler AG ihren Kunden die passende Software mitliefern kann und den Startups eine zweite Cash-Quelle zur Verfügung steht.
Digitalisierung = mehr Effizienz, Innovation = höhere Effektivität
Auf die Frage hin, was Digitalisierung für ihn ist, erklärt Hebbel, dass Digitalisierung nicht ohne Innovation gedacht werden könne. Während es bei der Digitalisierung darum gehe, die Effizienz zu steigern und Dinge effizienter zu machen, gehe es bei der Innovation darum, die richtigen Dinge zu machen und die Effektivität zu erhöhen. Was das bedeute, könne man anhand der neueren Geschäftsentwicklung der Basler AG nachvollziehen.
Neue Anwendungsmöglichkeiten der Kameras
Noch vor einigen Jahren wurden die Kameras der Basler AG früher vor allem genutzt, um Produktionslinien zu überprüfen und Defekte zu finden. Jetzt weiten sich die Anwendungsmöglichkeiten im Zuge der Digitalisierung immer weiter aus. Insbesondere durch den B-to-C-Bereich hätten sich die Erwartungen und Anforderungen der Nutzer an die Kameras drastisch verändert. Nun geht es laut Basler darum, die Technologie, die im Consumer-Bereich bereits genutzt wird, zuverlässig in den Industrial-Bereich zu übertragen.
Als Beispiel hierfür nennt Hebbel das sogenannte Skeleton Tracking, mit dem das (menschliche) Skelett erkannt und die empfangenen Daten ausgewertet werden können. Bisher wurde diese Technologie vor allem im Gaming-Bereich genutzt. Sie kann aber auch im industriellen und medizinischen Bereich sowie im Kontext von Smart Cities und Smart Homes eine wichtige Funktion übernehmen. So etwa wenn eine ältere Person im Haushalt einen Unfall hat: Liegt sie eine kritische Zeit lang auf dem Boden, könnte das über das Skeleton Tracking erkannt und über eine Software automatisiert ein Notarzt oder die Polizei gerufen werden.
Auch im Immobilienbereich können Kameras mit entsprechender Software hilfreiche Daten liefern. So können sie beispielsweise erkennen, wie viele Leute in ein Geschäft kommen und wo diese sich aufhalten. Zudem können Besucherströme analysiert werden. Kameras, die Mimik und Gestik lesen, könnten des Weiteren die Emotionen der Besucher auswerten und darüber informieren, ob die Kunden zufrieden oder unzufrieden sind. Diese Daten könnten wiederum mit anderen Daten in Zusammenhang gebracht werden. Beispielsweise könnte anhand von Big Data analysiert werden, wie sich das Wetter auf die Zufriedenheit der Kunden und deren Kaufverhalten auswirkt oder die Daten von Läden an unterschiedlichen Standorten könnten verglichen werden. Für die Konzeption und Vermietung von Ladenflächen sind solche Informationen goldwert.
Zukunftsherausforderung Changemanagement
Gefragt nach der größten Herausforderung, die das Unternehmen zu meistern hat, nennt Hebbel das Thema Changemanagement: Die Basler AG wandele sich immer mehr vom Kameraverkäufer zum Softwaredienstleister. Vor allem der Sales-Bereich sei daher einem erheblichen Wandel unterworfen. Um die Mitarbeiter bei diesem Wandel mitzunehmen, habe die Firma ein Team aufgebaut, dass sich ausschließlich um das Changemanagement und die Mitarbeiterzufriedenheit kümmere.
Mit Blick auf die großen technischen Herausforderungen nennt Hebbel das Thema „Business Ecosystem“, also den Verbund verschiedener Unternehmen bzw. ihre Kooperation und Interaktion bei einem Projekt. Im IoT-Bereich seien so viele einzelne Partner im Spiel, dass die Projektkoordination und insbesondere das Schnittstellen-Management eine extrem herausfordernde Aufgabe sei, vor allem wenn es um Smart Cities gehe. Hier sei noch einiges zu tun.
Viel Spaß beim Zuhören!