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E58: Wie funktioniert Digitalisierung in der Logistikbranche? – Marc Meier (Fr. Meyer’s Sohn)

Die Logistikbranche ist eine der größten Branchen in Deutschland und eine der wichtigsten für unsere Volkswirtschaft. In Sachen Digitalisierung hinken viele Logistikunternehmen allerdings hinterher. Und das, obwohl das Potenzial, das die Digitalisierung der alten Systeme und Prozesse bietet, riesig ist.

Im Interview mit Nils erklärt Marc Meier, Geschäftsführer des globalen Speditionsunternehmens Fr. Meyer’s Sohn (FMS), welche Chancen die Digitalisierung mit sich bringt, warum die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle so wichtig ist und wie sich Logistikunternehmen aufstellen müssen, um auch in Zukunft Bestand haben zu können.

Tradition trifft auf Innovation

Friedrich Meyer‘s Sohn ist ein sehr traditionelles Unternehmen mit einer über 120-jährigen Unternehmensgeschichte. Es ist ein Familienunternehmen, das in der dritten Generation im Familienbesitz und immer noch seinen ursprünglichen Werten verhaftet ist. Dennoch hat es das Unternehmen in den vergangenen Jahren geschafft, sich zu einem  Hidden Champion in der Logistik-Branche zu mausern. Friedrich Meyer’s Sohn macht einen Umsatz von 800 Millionen Euro im Jahr und ist Marktführer im Bereich Papier- und Forstprodukte-Logistik und gehört in der Seefracht weltweit zu den Top 10. Grund dafür ist nicht nur die langjährige Expertise, sondern auch die Innovationsfreude.

Denn auch und gerade in einer traditionellen wie Speditionsbranche spielt Digitalisierung eine wichtige Rolle. Vor allem in den letzten vier bis fünf Jahren habe das Thema eine ganz neue Dynamik aufgenommen, so Meier. Computer seien zwar schon seit den 80er Jahren bei FMS im Einsatz gewesen. „Aber“, so Meier, „wir sind jetzt in einer neuen Phase angelangt, wo verschiedene Disziplinen zu einer Fertigungsreife kommen, sodass sie zusammenarbeiten können.“

Die drei entscheidenden Aspekte der Digitalisierung

Für Meier besteht die Digitalisierung aus drei Aspekten. Aspekt eins sei die Umwandlung eines analogen Prozesses in einen digitalen. Das klassische Beispiel hierfür ist die Rechnungszahlung. Diese geht zunehmend rein elektronisch vonstatten – was nicht nur effizienter, sondern auch transparenter und sicherer ist.

Der zweite Aspekt der Digitalisierung drehe sich darum, das Leben des Kunden zu verbessern. In der Speditionsbranche heiße das vor allem, Digitalisierung zum Erreichen größerer Transparenz zu nutzen. Das beinhalte beispielsweise die Möglichkeit, den Weg einer Sendung mittels Tracking and Tracing zu überprüfen. Es beziehe sich aber auch auf die Preistransparenz sowie die Transparenz hinsichtlich möglicher Schäden während des Logistikprozesses.

Der dritte Aspekt der Digitalisierung betreffe das Thema Innovation und zwar insbesondere hinsichtlich der Frage, wie sich das eigene Geschäftsmodell ändere: „Der Spediteur wird ja als Mittelsmann gesehen, das heißt als eine Art Händler der Fracht. Er kauft eine Seefracht ein bei der Reederei und verkauft sie mit einem Aufschlag an den Kunden“, erklärt Meier. Das Problem dabei sei, dass dieser Prozess durch die Digitalisierung obsolet werden könne. „Damit würde der Spediteur seine Daseinsberechtigung verlieren“, so Meier. Ziel müsse es deshalb sein, neue Produkte zu entwickeln, die sich auf den Service-Gedanken fokussierten und darauf, neue Lösungen für den Kunden zu finden.

Das Ende bisheriger Geschäftsmodelle

Problematisch sei die Digitalisierung deshalb insbesondere für diejenigen Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Intransparenz und der Volatilität des Marktes fuße: „Da wird Digitalisierung eine große Gefahr sein,“ so Meier, „denn Digitalisierung bringt Marktwissen an jeden.“

Deshalb sei es essenziell, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, bei dem die Frage nach der eigentlichen Wertschöpfung für den Kunden im Zentrum stehe. Dabei gehe es keineswegs allein um die Kosteneffizienz. Im Gegenteil, so Meier. Wichtig sei, die Kosten der Supply Chain nicht mehr allein als Kostenfaktor zu sehen, sondern sie als Wertschöpfungsfaktor zu verstehen.

Die Supply Chain als Wertschöpfungsfaktor

Das veranschaulicht Meier an dem Beispiel des Unternehmens Inditex, zu dem die Modekette Zara gehört: Zara ist eine sogenannte „Fast Fashion“-Kette, deren Konzept wesentlich darauf beruht, neue Modelinien in kürzester Zeit in die Läden zu bringen. Bei Zara klappt das laut Meier im besten Fall innerhalb von 14 Tagen nach Design. Dieser schnelle Transport sei nur per Luftfracht möglich. Hier würden zwar deutlich höhere Logistikkosten anfallen als auf anderen Wegen, die Schnelligkeit schaffe aber einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, für den sich die höheren Kosten lohnten.

Die Spedition als Berater

Wer als Spediteur auch künftig erfolgreich sein wolle, habe nun die Aufgabe, genau solche Wettbewerbsvorteile von seinen Kunden zu (er-)kennen und dann die entsprechenden Lösungen zu entwickeln. Dafür sei zum einen die menschliche Komponente wichtig, also der enge persönliche Kontakt zu seinen Kunden. Zum anderen sei die fachliche Komponente elementar. Denn man müsse in der Lage sein, die Lieferkette analysieren und sie auf dieser Basis verbessern zu können. Kurz gesagt: Man müsse weg von der reinen Outsourcing-Dienstleistung und der Idee, als reiner Mittelsmann zwischen Reederei und Kunden zu fungieren, und hin zu der Idee, ein Berater des Kunden zu sein.

Die Firma Friedrich Meyer’s Sohn habe in dieser Hinsicht sicherlich einen Vorteil, so Meier. Schließlich verfüge sie nicht nur über die erforderliche Expertise, sondern auch über sehr enge Kundenbeziehungen, die teilweise schon viele Jahrzehnte bestünden. Die langjährige Firmenhistorie könne jedoch auch hinderlich sein: „Niemand möchte ein erfolgreiches Geschäftsmodell verändern“, erklärt Meier. Deshalb würden sich Traditionsunternehmen generell schwertun, wenn es um Innovation gehe.

Digitalisierung als Chefsache begreifen

Grundsätzlich müsse die Logistikbranche verstehen, dass Digitalisierung eine Frage der Priorisierung sei. Wer erfolgreich bleiben wolle, müsse sich auf Innovation einlassen. Große Unternehmen hätten hier zwar einen Vorteil, weil sie mehr experimentieren könnten, wohingegen kleinere Unternehmen deutlich weniger (finanziellen) Spielraum hätten. Aber auch Mittelständler hätten gegenüber Konzernen klare Vorteile: Sie könnten deutlich agiler agieren, das Ausrollen von Software dauere nicht so lange und auch Mitarbeiter könnten rascher geschult werden, erläutert Meier.

Ohnehin sei letztlich ein ganz anderer Faktor entscheidend, wenn es um die erfolgreiche Digitalisierung von Logistikunternehmen gehe. Vielmehr als die Finanzkraft oder die Größe eines Unternehmens komme es auf die Ausrichtung der Geschäftsführung an: „Wer das Thema Digitalisierung für sich zur Chefsache macht, wird nicht an den Investitionen scheitern“, ist Meier überzeugt.

Viel Spaß beim Zuhören!

Links aus dem Interview:

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