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Wie digitalisiert sich ein Unternehmen, dessen Kernkompetenz schon Software ist? Diese Frage bespreche ich mit Stefan Raabe von der EK Automation GmbH. EK entwickelt fahrerlose Transportsysteme und erlebt an den eigenen Kunden immer stärker, wie sich die Digitalisierung in alle Bereiche eines Unternehmens hinein bewegt.
Links aus dem Interview:
- EK Automation
- Stefan Raabe
- Messe: LogiMAT
- Messe: FachPack
- Messe: Vision
- Messe: automatica
Transkript:
Stefan: Mein Name ist Stefan Raabe. Ich bin im Vertrieb der EK angestellt, der sich Business Development nennt. Das liegt daran, dass der Vertriebsbereich in einen internen und einen externen Bereich getrennt ist. Der Interne ist Engineering und der Externe ist Business Development, die quasi die Front beim Kunden vor Ort sind und dort die ersten konzeptionellen Ausarbeitungen machen. Von der Ausbildung her bin ich sehr Technik-orientiert. Ich habe den Nils damals bei Altran vor über zehn Jahren kennengelernt. Mein Weg ging dann hin zu Elektronik-Entwicklung. Dort habe ich über die Projektleitung unterschiedliche Firmen und Branchen gesehen und bin irgendwann im Vertrieb gelandet.
Nils: Wir haben eben schon darüber geredet, was EK macht und vor allen Dingen wo das Unternehmen herkommt.
Stefan: EK Automation ist im Grunde ein Sondermaschinenbauer für fahrerlose Transport-Robotik und wurde von den Firmengründern Eilers und Kirf im Wesentlichem für die Bereiche Software und Prozessautomatisierung gegründet. Im Laufe der Zeit hat man über die Intralogistik und fahrerlosen Transportsysteme auch die Automatisierung und das Engineering für Jungheinrich und Linde Wagner gemacht hat. Dann im Laufe der 80er und Anfang der 90er Jahre haben sich Linde und Jungheinrich von der Automatiserungsstraße getrennt und EK hat den Fahrzeugautomatisierungsteil übernommen. Im Laufe der Zeit hat sich EK dahingehend weiterentwickelt, dass wir im Unternehmen zwei Standbeine haben. Zum einen die Automatisierung von Standardfahrzeugen, das heißt Grundfahrzeuge, die wir bei Stadler OMS einkaufen und zum anderen Sondermaschinen und Baukonstruktionen, die wir automatisieren. Unsere Anlagen bestehen grundsätzlich aus den Fahrzeugen und der IT-Infrastruktur, sprich einem Leitsystem, sowie diversen Schnittstellen, die im Produktionsablauf vorzufinden sind, wie Rolltore, Brandschutztore, Fördertechniken, Aufzügen und ähnliches.
Nils: Okay, wir hatten es eben kurz angerissen; es fing an mit Softwareentwicklung, jetzt ist es eine Mischung aus Maschinenbau-Produkten und Sondermaschinen, die ihr zumindest modifiziert.
Stefan: Ja, es sind grundsätzlich schlüsselfertige Systeme. Das heißt, alles was wir bauen, wird beim Kunden installiert und komplett in Betrieb genommen. Wir betreuen keine Teilzeit-Projekte. Die Basis für unsere Transportsysteme sind zum einen Standardfahrzeuge, die wir vorzugsweise von Linde einkaufen. Und sollte das Fördergut, dass wir zu transportieren haben, nicht in diesen Standardbereich passen, sind wir jederzeit in der Lage, kundenspezifische Produkte zu bauen und die mit den entsprechenden Technologien zu automatisieren.
Nils: Das heißt, die Software ist eure Kernkompetenz?
Stefan: Genau, der Maschinenbau ist relativ offen und nicht großartig schützenswert, aber in der Software steckt das Know-How. Sie teilt sich in ein Leitsystem und eine Fahrzeugsoftware auf, die über WLAN miteinander vernetzt sind.
Nils: Das heißt eure Produkte sind im Prinzip schon von Beginn an digital. Das heißt, das Thema Industrie 4.0, das heute in aller Munde ist, ist für euch nicht neu.
Stefan: Wir stellen eine Brücke dar, die schon immer da gewesen ist. Die vor- und nachgelagerten Bereiche reifen erst in diesen Tagen soweit, dass man nahtlos den Datenfluss ineinander übergehen lassen kann. Mit unseren Produkten sind zwingend organisatorische Prozesse verbunden. Das heißt, Planung, die vom Auftragswesen des Kunden ausgehen bis zum Versand der fertigen Produkte. Alles was dazwischen früher chaotisch abgelaufen ist, ist auch von unseren Systemen schwer zu handeln. In letzter Zeit sind auch unsere Kunden durch die ständigen Ansprüche an Effizienzsteigerung gezwungen, entsprechende Prozesse besser zu planen und auszuarbeiten. Wir passen daher mit unseren Automatisierungsgeräten immer besser ins Bild.
Nils: Das eine sind also die Prozesse und die Effizienz, das andere sind die reinen Produkte, die man in eurem Fall wirklich sehen und anfassen kann. In wie weit habt ihr eine Beratungsrolle, was die Kunden angeht? Ich bin sicher, sie ist da und auch groß, aber inwieweit ist dem Kunden das vorher bewusst? Ich habe in anderen Gesprächen schon gelernt, dass Digitalisierung zu einem großen Teil Kulturwandel, Prozessanpassung und ähnliches bedeutet. Stellt das für eure Projekte eine Herausforderung da?
Stefan: Absolut. Gerade für mich im Vertrieb ist es eine ganz spezielle Herausforderung, weil ich von Anfang an Herausforderungen beim Kunden erkennen muss, um ihm mitzugeben, was er auf seiner Seite tun muss, um solche Anlagen betreiben zu können. Das fängt bei der organisatorischen Gestaltung der Infrastruktur an, wie zum Beispiel Markierungen auf dem Fußboden oder Warnhinweise an gefährlichen Stellen. Es geht bis hin zu Schulungen der eigenen Leute. Man sollte keine Besuchergruppen oder Busreisen durch die automatisierte Fertigung laufen lassen. All diese Dinge sind essentiell wichtig und die Herausforderung für mich ist, dass die ganz einfachen, alltäglichen Herausforderungen dem Kunden mitgibt, auch wenn sie banal sind für jemanden, der sich täglich damit befasst. Im Bereich Sicherheit ist das ein großes Thema. Es reicht nicht aus, optional Sicherheitsvorkehrungen anzubieten, die installiert werden können, aber nicht nur nützen. Man muss dem Kunden sagen, was in seinem Verantwortungsbereich ist, weil die wenigsten die Maschinenbau-Richtlinien oder Standards und Normen des Sicherheitsbereichs kennen.
Nils: Das kann ich mir gut vorstellen. Das zieht in den klassischen Produktions- oder Logistikablauf eine Komplexität herein, die vorher nicht da war.
Stefan: Genau.
Nils: Wenn du an EK denkst, Thema Digitalisierung. Eure Produkte waren von Tag eins an digitale. Habt ihr die beschleunigte Digitalisierung, die heute überall zu spüren ist, bemerkt?
Stefan: Zum einen merkt man es deutlich an der täglich wachsenden Anzahl an Mitbewerbern und zum anderen an der technischen Ausrüstung unserer Kunden. Ein ganz pragmatisches Beispiel ist die Visualisierung der Anlage auf einem PC oder Laptop, der früher auf einem i-Punkt installiert war. Heute haben die Schichtleiter oder die Verantwortlichen das auf dem Tablet oder Handy. Das sind alles Dinge, die bei uns Einzug halten und wir merken, dass die Vernetzung mit unseren Anlagen präsenter wird. Das geht bis dahin, dass irgendwo Managementebenen sitzen und sagen: “Wollen Sie eine Statistik sehen, wie effizient Ihr intralogistischer Transport stattfindet?”
Nils: Die Firma wurde als Softwarefirma und Automatisierungslösung gegründet.
Stefan: Sie wurde als Softwarefirma gegründet und umgibt ein breites Applikation Spektrum. Es sind dann Fahrzeuge durch einen glücklichen Umstand dazu gekommen. Das war nicht von langer Hand geplant worden, sondern man hat die Fahrzeuge gesehen und eine Pionier-Idee gehabt, diese zu automatisieren. Im Prinzip hat sich nur die Struktur der Software gewandelt. Im ersten Drittel bis zur ersten Hälfte des Firmenbestehens, was mittlerweile schon 50 Jahre ist, hat man im Prinzip so viel Know How auf den eigenen Seiten haben wollen, wie nur möglich. Man hat daher die komplette Leitsystem-Software selbst geschrieben. Im Laufe der Zeit und aus wartungstechnischen Gründen ist man im Wesentlichen dazu übergegangen, handelsübliche Leitsystem-Software einzukaufen und den Eigenanteil auf ein Mindestmaß zu beschränken, in dem man die eigene IP unterbringen kann.
Nils: Jetzt zeichnen sich Softwareprojekte nicht unbedingt durch gute Planbarkeit aus. Wenn ihr schon sehr lange Software macht und du dir vorstellst, dass ein anderes Unternehmen (oder jemand, der zuhört) an diesen Punkt kommt, und dass Software nicht seit Beginn an Teil dessen Geschäftsmodells war? Gibt es Ratschläge, die du mit dem Wissen eurer vergangenen Projekte weiter geben könntest? Was würdest du anders machen?
Stefan: Wir haben ein verhältnismäßig kleines Entwicklungsteam. Wir fokussieren uns darauf, Projekte abzuwickeln, Systemintegrator zu sein und den eigenen Entwicklungsanteil so gering wie möglich zu halten. Das heißt, wenn Applikationen zur Entwicklung anstehen, müssen wir funktional beschreiben, was wir wollen. Für den eigentlichen Entwicklungsaufwand und in Zukunft wird es in unserem Hause verstärkt in die Richtung gehen, sich innovative Partner dazu zu holen. Die müssen nicht groß sein und man kann mit ihnen zusammen lernen, Projekte zu entwickeln.
Nils: Gibt es da klassische Fehler, die man macht, wenn man keine Erfahrung hat? Gibt es Dinge, die du empfehlen würdest?
Stefan: Üblicherweise macht man erstmal mehr falsch als richtig. Doch mein Credo ist, nur über den Weg kann man lernen, wie es funktioniert. Das Allerwichtigste ist, dass man an der Stelle jemanden findet, mit dem man offen und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und nicht in irgendwelche Prozesse gezwängt ist. Ich denke, das ist der größte Erfolgsgarant, den man an der Stelle haben kann.
Nils: Dann finde ich es immer eine spannende Frage, wie sehr habt ihr agile Vorgehensweisen bei euch adaptiert? Ist das noch ein Hype oder funktioniert es schon?
Stefan: Bei uns im Haus versuchen wir zwar so effizient und manchmal auch so effektiv wie möglich zu sein, aber wir haben zu wenige reine Softwareentwicklungsprojekte, dass wir uns dahingehend agile Prozesse überlegen. Wir arbeiten intern nach herkömmlichen Prozessabläufen, die im Grunde ausreichend sind. Ich denke, in Zukunft wird es notwendig sein, sich mit der Vorgehensweise auseinanderzusetzen, weil man vermehrt mit Firmen zusammenarbeiten wird, die mit solchen Prozessen arbeiten.
Nils: Beim Thema Beschleunigung und Effizienzsteigerung haben klassische Prozesse die Schwierigkeit, dass späte Änderungen schwer sind. Ich habe lange Embedded Software gemacht und Projekte mit einhergehender Hardware und Software sind nicht so veränderungsfreudig wie reine Softwareprojekte. Für euch ist es durch die daran hängende Fabrik und die vielen fahrenden Robotersysteme, die daran hängen eine Spur größer, trotzdem lernt man im Laufe eines Projektes. Wenn euer Kunde die ersten Dinge im Betrieb hat und dann lernt, dass er etwas gerne anders hätte. Habt ihr Best-Practices, wie ihr mit den Learnings aus dem Projekt umgeht?
Stefan: Momentan haben wir den Luxus, dass späte Änderungen nach Inbetriebnahme möglich sind. Das hängt zum einen an der Projektstruktur. Wir können Applikationssoftware aufsetzen und Layoutwege, einen Sensor und Ähnliches in der Fahrzeugsoftware ändern, weil die Änderungen allein die kundenspezifische Software angeht. Natürlich ist ein Ziel in Zukunft wenig Inbetriebnehmer auf der Baustelle zu haben. Die Vision ist bei einzelnen Projekten die Fahrzeuge auszuliefern und die Inbetriebnahme remote zu bewerkstelligen. Dann wird es auch wichtig sein, späte Fehler an der Stelle zu vermeiden. Allerdings ist das kein Softwareentwicklungsprojekt mehr, sondern ein Systementwicklungsprojekt mit einem Softwareanteil. Allerdings sind die Vorgehensmodelle mehr oder weniger die gleichen.
Nils: Das kann ich mir gut vorstellen. Dann habe ich meine drei Abschlussfragen, die ich immer stelle. Als erstes, das größte Problem, das ihr als Unternehmen im Rahmen der Digitalisierung angehen wollt. Was wollt ihr lösen?
Stefan: Unser größtes Problem ist wie gesagt, dass wir uns von der Reaktionszeit und von den Produktionskosten verbessern könnten, wenn wir nicht auf jede Baustelle müssten und die Inbetriebnahmezeiten so kurz wie möglich gehalten werden. Der Schritt in die virtuelle Welt ist der nächste Step, den wir vorbereitet haben. Wir haben aktuell drei Mitarbeiter, die Vollzeit an der Prozessautomatisierung und im virtuellen 3D-Umfeld arbeiten, um das in einen prozesssicheren Rahmen zu bringen und die Inbetriebnahme bewerkstelligen zu können. Hinterher muss auch die Berufsgenossenschaft ein Häkchen drunter machen. Das ist eine der großen Herausforderungen, die wir in Zukunft zu bewältigen haben.
Nils: Das klingt spannend und ich werde gerne beobachten, wie sich das entwickelt. Wenn du an das Thema Digitalisierung denkst, wie hältst du dich auf dem Laufenden? Gibt es eine besonders hilfreiche Quelle, die du empfehlen möchtest?
Stefan: Es gibt nach wie vor noch die alteingesessen Printmedien, die mittlerweile auch online versendet werden. Meiner Meinung nach ist es die beste erste Informationsquelle, die man haben kann, weil viele Experten sich direkt aus der Branche äußern, Neuerungen vorstellen und Visionen darstellen. Das zweite sind Fachschulungen. Wir sind Kooperationspartner von Kollmorgan und sie stellen unser Automatisierungstechnik-Paket in Richtung Navigation. Es gilt für uns, jederzeit auf dem Stand zu sein, was mit deren Technik nicht möglich oder möglich ist. Es sind klassische Produktschulungen, die man als Systementwickler braucht.
Nils: Hast du etwas Konkretes zu den Printmedien, eine Veröffentlichung, Zeitschrift oder ein Buch?
Stefan: Es gibt das ein oder andere Buch, aber Bücher haben den Nachteil, dass sie auf Grundlagen verweisen und nicht unbedingt einmal im Monat oder Halbjahres aktuell sind. Es gibt eine Handvoll Printmedien, die in der Logistik-Automatisierung erscheinen, wo man auch ein ganz gutes Bild von kriegen kann. Ansonsten hilft es auch hin und wieder auf die einzelnen Webseiten zu gucken und zu gucken was die Damen und Herren aus den Reihen der Mitbewerber anbieten. Nach wie vor ist im Bereich Automatisierung interessant auf Messen zu gehen, weil man dort viel Neues sieht und sich die Welt schnell weiterentwickelt. Oftmals sind viele auskunftsbereiter über die oberflächlichen Funktionalitäten.
Nils: Ich war zuletzt auf der Hannover Messe. Kennst du eine Messe die konkret für den Bereich Automatisierung zu empfehlen wäre?
Stefan: Ja, beispielsweise unsere Hausmesse, die LogiMAT in Stuttgart, das ist die weltweit führende Intralogistik-Messe im Bereich Automatisierung. Es gibt noch einzelne fachspezifische Messen, wie die FachPack, die Vision oder die automatica, die in München stattfindet. Es gibt eine ganze Reihe von Messen, die auch gar nicht mehr so klein sind wie in den ersten Tagen und ein interessantes Spektrum abdecken.
Nils: Okay, dann letzte Frage, wen würdest du gerne in einer zukünftigen Episode hier im Podcast zum Thema Digitalisierung hören?
Stefan: Das ist ganz schwierig. Am liebsten natürlich einen Wettbewerber und wenn ich mir es aussuchen könnte, dann hätte ich gerne die Herren von Jungheinrich oder von Still, wobei ich mir vorstellen könnte, dass Still eher interessant ist, weil sie hier vor Ort sind. Das könnte interessant sein und ich würde es mir auf alle Fälle gerne anhören.
Nils: Ok, ich kenne da jemanden… (Beide lachen.) Kriegen wir bestimmt hin.
Das war unser Interview mit Stefan Raabe von der EK Automation. Vielen Dank, Stefan!