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"Lustigerweise denkt man, dass man die Digitalisierung geschafft hat, aber es geht immer noch weiter."

E003: Wie digitalisiert man ein 80 Jahre altes Unternehmen? – Felix Menden und Carsten Brandt (Wer liefert Was)

Wie digitalisiert man ein 80 Jahre altes Unternehmen, das mal als Verlag gestartet ist? Und was passiert, wenn man mit der Digitalisierung fertig ist? Ist man eigentlich irgendwann mit der Digitalisierung fertig?

Diese Fragen bespreche ich heute mit Felix Menden, CTO, und Carsten Brandt, dem Senior Manager Corporate Communications der Wer liefert was? GmbH. Mit über 80 Jahren an Firmengeschichte ist „Wer liefert was“ ein echtes hamburger Traditionsunternehmen. Als eine Firma, die vor Jahrzehnten als Verlag gestartet ist und heute eine reine Online Firma ist, ist „Wer liefert was“ ein echtes Bilderbuch Beispiel für Digitalisierung.

Links aus dem Interview:

Transkript:

Felix: Hallo, ich bin Felix Menden. Ich arbeite seit 3,5 Jahren für „Wer liefert was“. Ich darf hier CTO sein. Schon vorher habe ich ähnliche Positionen bei anderen Unternehmen bekleidet, entweder bei “Gruner & Jahr Digital” oder 5 Jahre bei Xing.Ich komme eigentlich aus der Softwareentwicklung. Ich bin eigentlich Physiker und mache das seit 15 Jahren. Ich bin sehr froh die WLW beim Digitalisieren und mit dem digitalen Geschäftsmodell weiter voranzubringen.

Carsten: Ich bin Carsten Brandt. Ich bin hier Senior Manager Corporate Communications und für die interne und externe Kommunikation bei „Wer liefert was“ zuständig. Ich bin seit einem guten Jahr dabei, mache PR und Pressearbeit aber schon seit 13 Jahren; 6,5 Jahre davon auf Agenturseite, dann war ich 2 Jahre selbstständig und die restliche Zeit auf Unternehmensseite. Ich finde den Prozess, den ich in den letzten zwölf Monaten bei „Wer liefert was“ miterleben durfte, sehr spannend. Jetzt sind wir gespannt, wie wir das Thema Digitalisierung aufdröseln können.

Nils: Ja, genau. Thema Digitalisierung. Ich finde, „Wer liefert was“ ist ein super spannendes Beispiel für das, was Digitalisierung konkret bedeuten kann. Erzählt doch ein bisschen. Was ist „Wer liefert was“ heute und wo kommt die Firma her. Da bekommt man den ersten Eindruck, was an der Digitalisierung dranhängt.

Felix: Das Geschäftsmodell von „Wer liefert was“ ist Werbung. War es immer und wird es wahrscheinlich auch immer sein. Früher war es Werbung in ganz speziellen Branchen: Bücher für Gewerbetreibende, die andere Gewerbetreibende mit schwierigen Produkten und mit B2B-Produkten finden konnten. Heute machen wir das Ganze im Netz. Das heißt, unser Geschäftsmodell ist Onlinewerbung und damit ist unser Geschäftsmodell die Digitalisierung unserer Kunden. Denn viele Mittelständler sind unsere Kunden und wir bringen Sichtbarkeit im Netz und auf dem Produktmarkt und helfen ihnen, bei Google besser gefunden zu werden. Die Geschichte dieser Firma geht länger zurück, als man von einer digitalen Company erwarten mag. Ich würde sagen, wir sind 80 Jahre im Geschäft. Wir sind aber selber noch nicht so alt.

Carsten: Genau, wir sind selber, Gott sei Dank, noch nicht so alt. Angeblich 85 Jahre gibt es die Firma schon. Ursprünglich ist sie als Messeverzeichnis der Leipziger Messe gestartet. Danach waren wir ein Nachschlagewerk für Lieferanten in Buchform. Wenn man heute mit Leuten spricht, ist die Enzyklopädie tatsächlich sehr bekannt. In den 12 Monaten, die ich hier bin, habe ich gelernt, dass früher diese Bücher in vielen deutschen Botschaften außerhalb Deutschlands standen. Wenn jemand am anderen Ende der Welt einen Schraubenlieferanten aus Deutschland suchte, konnte er in seinem Heimatland in die deutsche Botschaft gehen und nach „Wer liefert was“-Nachschlagewerken fragen und sich einen weit entfernten Lieferanten “Made in Germany” suchen.

Felix: Da sind wir heute weiterhin unterwegs. Wir sind eine Firma mit etwa 200 Mitarbeitern und sind Europas größter B2B-Marktplatz im Netz, zusammen mit unserer Tochterfirma “Europages”, die das Ganze in mehreren Sprachen in mehreren Ländern mit Standort in Paris betreibt. Die WLW selber ist ein gutes Beispiel und nimmt die nächste Frage vorweg, was macht Digitalisierung mit dem äußeren und inneren Umfeld.

Was ist Digitalisierung aus der Sicht von Wer liefert was?

Felix: In diesen 85 Jahren hat sich die Firma in mehreren Wellen selber digitalisiert, aber wir haben auch unsere Kunden digitalisiert. Was heißt das? Wir haben in den 80er Jahren das Verlagswerk, was 60 Jahre lang verlegt wurde, als CD-ROM herausgebracht und unseren Kunden das CD-ROM-Gerät mit verkauft, weil das damals keiner hatte. Das war der Umstieg von Mikrofiche auf CD-ROM. Die erste Digitalisierung. Die erste „internetisierung“ war glaube ich 1995.

Carsten: Genau, drei Jahre vor Google, das 1998 gegründet wurde. Wir waren 1995 schon im Netz. Wir waren sehr früh dran und in der ABC-Straße haben wir uns die Nähe zu Google behalten. Da schließt sich der Kreis.

Felix: Wir sind auch der größte Reseller von Google in unserem B2B-Bereich. Den Dienst kann man auch online von uns in Anspruch nehmen.

Carsten: Die Bücher wurden eine Weile parallel gedruckt, aber mittlerweile schon seit längerer Zeit…

Felix: Ich glaube, seit 2001 wird kein Buch mehr gedruckt.

Carsten: Genau, 2000 ist das letzte Buch gedruckt worden. Das steht noch eingeschweißt im schönen Plexiglas-Schuber bei unserem CEO im Büro, als Mahnmal an die alten Zeiten. Aber seitdem ist alles digital.

Felix: Ein Beispiel als gute Überleitung zu dem, was Digitalisierung intern für uns als Firma bedeutet hat: wir haben noch Mitarbeiter, die 2001 und davor schon für “WLW” gearbeitet haben. Ich denke, wir sind eine der ganz wenigen Firmen, die vor über 20 Jahren schon eine elektronische Auftragserfassung hatten. Damals selbstgebastelt mit SAP-Programmierern, die heute ganz andere Sachen hier bei uns programmieren. Wir haben seit 15 Jahren elektronische Vertriebsplanung mit Routing-System, TomTom-Navis und einem extra gebuchten Datendienst, als es damals noch kein richtiges Internet gab.

Unsere Vertriebsmitarbeiter wurden somit draußen gesteuert. Eine eigene Webentwicklung haben wir seit etwa 5 Jahren. Das hatten wir immer outgesourced. Wann wurde es wichtig für unsere Firma das ganze Thema Webplattform, Firmensuche, Produktsuche selbst als digitales Produkt zu kontrollieren? Seit 3 Jahren haben wir firmenweit keine Desktop-PCs mehr – nur noch Laptops und Smartphones und alle so vernetzt, dass jeder von überall arbeiten kann, als sei er in der Firma. Wir haben die interne Arbeitswelt digitalisiert und virtualisiert.

Seit zwei Jahren haben wir Status-Bildschirme im Unternehmen. Die tauchen langsam auf, das merkt man gar nicht mehr. In der Küche steht ein Bildschirm, der sagt, wie stark der Produkt Marktplatz aufgefüllt ist. Wir sind bei etwa 6 Millionen Produkten. Er zeigt an, wie stark der Traffic auf der Webseite ist. Wir haben andere Monitore, auf denen man die Webseite überwachen kann. Der Vertriebsinnendienst hat Monitore, wo sie sehen können, wie viele Anrufe reinkommen und angenommen werden, zu welchen Themen gerade Supportanfragen kommen.

Als nächstes kommt die weitere Intensivierung der internen Kommunikation. Ich selbst bin ein großer Fan von Chat-Diensten. Meistens fangen die Entwickler über Chat-Dienste an, kleine Arbeitsergebnisse kurz mitzuteilen. Da sehe ich für unser Unternehmen noch Potenzial.

Nils: Spannend, was damit verbunden ist. Wenn man sich das Kerngeschäftsfeld anguckt, dann hattest du gesagt, es war immer Werbung und ist heute noch Werbung, aber das Medium hat sich komplett gewandelt. Gibt es andere Themen, die sich durch die Digitalisierung verändert haben? Gibt es Themen, die wir heute haben, die es früher nicht gab? Oder andersherum, gibt es Themen, die wir früher hatten und die heute weggefallen sind? Wenn ich an den Vertrieb denke; es gibt eine große Außendienststruktur. War das die einzige Struktur, die es gab oder gab es das Callcenter, das es heute gibt, schon immer?

Felix: Das war in der Tat nicht so. Es gab schon immer einen starken Außendienst, weil der Mittelstand eine hohe Beratungs-Komponente hat und sonst nicht erreichbar ist. Das sind auch Mitarbeiter, die vorher ihren Termin abmachen. Das ist ein Beratungsgespräch, bei dem man nicht überfallen, sondern mit Vorbereitungszeit beraten wird. Wir haben gemerkt, dass es zunehmend Firmen gibt, die übers Telefon erreichbar sind. Wir haben uns insofern digitalisiert, dass wir am Anfang Telefon-Termine abgemacht haben. Jetzt machen wir im Rahmen des Telefon-Termins Screensharing, um Internet-Ergebnisse, WLW-Ergebnisseite, Google-Ergebnisse, Rankings bei Google und Statistiken über die Themen des Kunden zu zeigen.

Mit einem potenziellen Kunden, der Membranpumpen-Hersteller ist, geht man durch, wo man Membranpumpen im Netz findet. Wo sind die richtigen Portale? Nicht selten sind wir auch das beste Portal. Das ist kein Verkaufstrick, sondern digitale Aufklärung. Auch am Telefon kann man diese Dienstleistung, die wir erbringen, gut verkaufen. Das ist in den letzten 1,5 Jahren dazu gekommen. Die Digitalisierung, also das Screensharing, hat uns geholfen unser abstraktes Produkt zu verkaufen ohne Tabletime, also ohne zusammen am Tisch zu sitzen.

Die nächste Hürde, an einen Gewerbetreibenden heranzukommen, ist über eine Online-Konversion etwas zu verkaufen wie in einem ganz normalen Shop. Das geht mit kleinen Produkten von Interesse, wo man hinterher ins Gespräch kommt, gut. Ich glaube, dass wird in anderen Ländern noch länger dauern. In China oder Asien hat es mehr Tradition über eine Kreditkarte im Jahr 10000 Euro auszugeben. In Europa hat es noch nicht so Tradition.

Carsten: Das Ganze hat auch eine interne Komponente, weil früher die Auftragserfassung, die Auftragseinstellung und die Kundenerfassung ein extrem händischer Aufwand war. Mittlerweile haben wir ein CRM-System eingeführt, das im Hintergrund läuft, wo die Außendienst-Mitarbeiter ihre Termine selber pflegen. Früher gab es eine Agentur, welche die Termine gemacht hat. Jetzt müssen sie selber terminieren. Wenn die Termine abgeschlossen sind, können sie gleich danach in dem Tool entsprechend sagen, ob sie erfolgreich waren oder nicht. Das hat eine ganz andere Komponente: Arbeitsablauf und Prozesse, die früher in der Form nicht da waren.

Felix: Es ist in der Tat sehr spannend zu gucken: Wo waren früher Mitarbeiter und wo sind heute Mitarbeiter? Die Firma hat sich von der Anzahl der Mitarbeiter gar nicht so stark vergrößert. In den letzten 10 Jahren waren es immer rund 180 bis 200 Mitarbeiter. Zum Beispiel in der Auftragsdisposition, wie Carsten gerade gesagt hat, waren drei bis vier Leute damit beschäftigt die Kundendaten hin und her zu schieben. Heute passiert das automatisch und im CRM bekomme ich sogar Vorschläge, mit welchen Kunden ich wann und wo einen Termin machen kann, sodass ich keine langen Fahrzeiten habe. Weil ich dann mit API, Thema „Shared Services“ (in dem Fall zu Google Maps und Google Shared Places) und einem kleinen Routing-Algorithmus einfach vorschlage: Die und die Termine bei dem und dem Kunden wären am praktischsten für dich und so bekommst du deinen Tag gut ausgenutzt.

Nils: Das heißt, im Prinzip mussten sich die Leute im Außendienst an die neue Welt anpassen.

Felix: Genau.

Wie geht Wer liefert was mit dem Kulturwandel um, der durch die Digitalisierung entsteht?

Nils: Thema Kulturwandel. Wenn es früher nur den Außendienst gab und heute auch Callcenter/Tele Sale, dann gibt es bestimmt Konflikte.

Felix: Man hat in einer Vertriebsorganisation den klassischen Kanalkonflikt. In unserem Fall ist es so, dass wir noch so viel Potenzial haben für das was wir tun, dass wir diesen Kanalkonflikt noch nicht sehen oder ihn geschickt verbinden. Es kann zum Beispiel sein, dass sich ein Interessent online registriert, aber noch kein Paket abschließt, weil er es erstmal ausprobieren möchte. Der Außendienstmitarbeiter hat ein paar Tage Zeit, um sich anzugucken, dass sich jemand interessantes registriert hat und ihn dann anrufen, um zu sehen, ob er ein Gespräch möchte. Die Kombination aus Kanälen macht uns stark, anstatt der Konflikt von Kanälen.

Nils: Zum Thema „Zusammenarbeit mit Partnern“ hattest du angesprochen, dass es die Google Maps API gibt. Gibt es Felder, auf die ihr euch fokussiert habt? Ich weiß, dass die ganze Plattform selbst gehostet wird und ein klassischer Weg heute ist es, sich zu überlegen, ob man Dinge in die Cloud auslagert, aber da gibt es sicherlich viele konkrete Beispiele.

Felix: Vor 3,5 Jahren war das noch viel extremer. Da haben wir unser eigenes Rechenzentrum betrieben und kamen noch aus den 80er Jahren und hatten unseren eigenen Dieselgenerator. Als ersten Schritt haben wir uns einen Rechenzentrum-Provider gesucht und die Hardware dorthin geschoben. Der zweite Schritt war eine komplette Virtualisierung. Der nächste Schritt wäre dann Rechen- oder Speicherkapazität in unsere Cloud von einem anderen Anbieter einzuklinken.

Noch lohnt es sich nicht für uns, weil sich am Ende das ganze Thema Computing für eine Firma unserer Größe nicht so schnell entwickelt, dass man davon Kostenvorteile hat. Es macht uns auch sehr beweglich, zum Beispiel können wir unsere Firma mit unserer Tochterfirma zusammenführen. Das wäre sonst nicht möglich.

Was hat sich durch die Digitalisierung bei Wer liefert was noch verändert?

Felix: Ich habe noch einmal überlegt, was sich durch die Digitalisierung verändert hat. Eine Sache, die sich massiv verändert hat, ist nicht nur die Kundenbetreuung, über die wir gerade geredet haben, sondern auch alles, was unser Verzeichnis und unseren Produkt Marktplatz ausmacht. Es gab vor acht oder zehn Jahren eine ganze Abteilung mit 20 Menschen, die nichts weiter als Content Management und Firmenrecherche gemacht haben. Wie man sich vorstellen kann, machen wir das heute natürlich alles elektronisch.

Teilweise sind die Mitarbeiter noch da. Einige machen Onlinemarketing oder verwalten unser Google Adwords Budget. Einige haben andere Aufgaben und das Spannende daran ist, wie es der Einzelne – aber auch die Organisation – schafft, diese Transformation mitzugehen, durch Fortbildung, Prozessveränderung oder durch einen Wechsel der Firma. Das bleibt nicht aus.

Da sind Themen, die bei uns verloren gegangen und durch Technik ersetzt worden sind. Die Anzahl der Menschen, die darin arbeiten, bleiben aber immer gleich, weil ein Firmendaten-Crawler oder ein Datenverarbeitungsalgorithmus von jemandem programmiert werden muss. Es ist lustig zu sehen, dass eine mittelständige Firma nicht kleiner wird und am Ende ein paar Köpfe übrig bleiben, die die Magic steuern. Mit jeder neuen Anschaffung gibt es auch einen Schrankenwärter oder jemanden, der es programmiert, bastelt oder baut.

Carsten: Die Größe hat sich, wie Felix schon sagte, nicht großartig geändert, aber es sind neue Gebiete und Aufgaben dazu gekommen. Das ganze Thema Web Development gab es früher in der Form nicht. Man hat einen Buchdrucker gehabt. Ein Kollege hat sogar Buchdruck gelernt, denn früher waren wir ein Verlagsunternehmen mit eigenen Druckmaschine im Keller. Heute sitzt er im Team und macht Traffic Reports und verwaltet das SEA-Budget.

Es ist super, Leute zu haben, die so lange dabei sind und gesagt haben, “Ich glaube an die neue Vision der Firma und dass sie erfolgreich wird.” Einen ganzen Change-Prozess durchzulaufen, bedeutet sich selbst zu bewegen. Wir hatten das Glück, dass viele das mitgetragen haben. Wie Felix sagte, gab es sicherlich auch ein paar, die gesagt haben, dass es nicht mehr ihr Unternehmen ist. Das ist in so einem Prozess ganz normal und dafür gibt es jetzt ein Team im Web, in dem, da musst du mich jetzt korrigieren, fast 40 Leuten sitzen…

Felix: Irgendwann mal 40 Leute sitzen werden. (Lacht) Jetzt sind es 20, aber wir steuern auf die 40 zu. Lustigerweise denkt man, dass man die Digitalisierung geschafft hat, aber es geht immer noch weiter. Selbst mit einer entwickelten Website und einer super Lieferanten-Maschine, haben wir gesagt: “Das reicht nicht.” Das war das alte Adressenverzeichnis, nur digital. Das Produkt wurde digitalisiert, aber wir wollten den Prozess digitalisieren. Da man heute über Produkte nach Lieferanten sucht, mussten wir aus der Lieferanten-Suchmaschine eine B2B-Produkt-Suchmaschine machen. Das haben wir vor 1,5 Jahren begonnen und sind schon bei 6 Millionen Produkten mit Such-Interface.

Carsten: Zum Vergleich: Zalando, der größte Modehändler, hat etwa 250.000 Produkte auf seiner Seite und wir 6 Millionen. Man sieht die Relation und Bedeutung von dem, was wir in 1,5 Jahren geschafft haben.

Felix: Von der Titanspindel bis zur Augenschraube und zum CNC-Drehteil ist alles dabei. Es ist ganz witzig: Wenn man von einer Firmen- zu einer Produktsuchmaschine wird, ändert man alle Prozesse.  Um dem gerecht zu werden, ändern wir auch unsere Organisationsform alle 2 Jahre.

Nils: Vor allem ändern sich zum ersten Mal das Geschäftsmodell, das seit 80 Jahren Bestand hat. Letztendlich wurde nur das Produkt digital.

Felix: Genau, einfach nur Sichtbarkeit verkaufen reicht nicht. Man kann als Hersteller, zum Beispiel von Titan-Unterdruckpumpen, nur dann Sichtbarkeit im Netz erreichen, wenn man seinen Produktkatalog ordentlich digitalisiert. Als bebilderte Datensätze mit guten Erklärungen und Spezifikationen. Man muss in der Lage sein, verschiedene Marktplätze und verschiedene Interfaces – wie Einkaufssysteme oder WLW und andere Marktplätze – gezielt zu bespielen. Sonst wird man von den Beschaffern, von denen man die Aufträge haben will, nicht gefunden. Das heißt, aus dem Onlinemarketing-Play wird in unserer Perspektive in den nächsten 5 bis 10 Jahren ein Data-Play. Sodass wir unseren Kunden als Zusatzprodukt oder Teil der Hauptdienstleistung, ein Daten-Digitalisierungsdienst bieten. Somit helfen wir unseren Kunden, ihre Daten in die entsprechenden Kanäle zu bekommen. Vielleicht landet ein CNC-Drehteil als CRD-Grafik irgendwann über einen Marktplatz in einer Maschine, die das ganze Ding frisst.

Nils: Damit kommen neue Teile ins Geschäftsmodell, wo es bisher keine Schnittstelle gab. Bisher hat man den Firmeneintrag verkauft und die Sichtbarkeit als Firma bekommen, aber die Dienstleistung musste der Kunde selber zusammenbringen.

Felix: Genau, über die Digitalisierung gibt es sowohl eine Aufspaltung in Einzelartikel der B2B-Kataloge, als auch den Beschaffungsprozess selbst. Man muss sich bei einer Plattform einloggen, nach einem Beschaffungsvorhaben oder einem Gut suchen und dann über einen Chat oder einen anderen Weg die ersten Dokumente oder Informationen austauschen – auch das wird digitaler. Vielleicht wird es auch genauso Onlineshopping-mäßig wie im Konsumbereich. Für C-Teile wahrscheinlich ja, für die wirklich interessanten B-und A-Teile wahrscheinlich nicht, weil man doch telefonieren und Zeichnungen austauschen muss. Am Anfang so viel wie möglich zu recherchieren und in relativ kurzer Zeit seine Beschaffung tätigen zu können, das wird uns in den nächsten 4 bis 5 Jahren gelingen. Wir sind fast die Einzigen, die das auf dem europäischen Markt konsequent verfolgen.

Nils: Das eine, was WLW als Plattform dazu schaffen muss, ist schon groß geworden, aber sind die Kunden schon soweit?

Felix: Teils, teils. Es ist die ganze Bandbreite vorhanden. Von einem Hidden Champion im bayerischen Wald mit 200 Mitarbeitern, die weltweit Filterstandsanlagen herstellen und nur eine Homepage haben, die der Neffe des Geschäftsführers in den 90er Jahren mit Logo hingemacht hat, bis zu Firmen, die spezielle Straßen-Fräsgeräte herstellen und schon einen eigenen Onlineshop auf der Homepage haben, ist alles vorhanden.

Zum Einen gibt es eine Menge Firmen, bei denen noch nicht viel vorhanden ist. Das heißt, es gibt viel Potenzial. Zum anderen, muss man adaptiv in seiner Herangehensweise sein. Ich glaube, das werden wir mit unserem Produktangebot können, indem wir von der Homepage bis zum Data-Feed, wenn man den schon hat, alles entsprechend passend für den Kunden anbieten.

Carsten: Wie Felix schon sagte, kommt uns der Außendienst da zugute und vor allem die Mitarbeiter, die schon länger dabei sind und einen guten Kontakt zum Mittelstand haben, weil es ein erklärungsbedürftiges Produkt ist.

Die einen sagen, “Ich gehe zwei mal im Jahr auf die wichtigsten Messen und die Leute kennen mich, kommen zu mir und dann sind meine Auftragsbücher voll.” Das mag vielleicht die nächsten 2-5 Jahre funktionieren, dann wird es aber kippen und wenn man die Weichen nicht auf digital gestellt hat, dann wird man schnell den Anschluss verlieren.

Wir sind als Sparringspartner dafür da, dass man, wenn man keine große Marketing-Budgets hat (und ein Mittelständler hat nicht zwingend eine eigene Marketingabteilung) das outsourcen kann. Über unseren Außendienst und unseren Innendienst hier können wir die Leute mit Reichweiten-Verstärkern und Google-Kampagnen entsprechend unterstützen, um noch mehr Reichweite zu bekommen, was ein Mittelständler mit etwa 10 Mitarbeitern und keinem abgestellten Onlinemarkettier in seinen Reihen sich nicht leisten könnte. Da setzt unsere Dienstleistung an.

Felix: Jetzt fragt man sich natürlich, warum diese Kunden aus dem bayrischen Wald aus unserem Beispiel sich bewegen müssen. Sie sind Monopolisten, groß in ihrem Bereich und haben ihre Connections. Wenn man dorthin kommt, sagen sie, dass alle Leute sie kennen, bei ihnen bestellen und sie so etwas nicht brauchen. Wenn heute das Passwort Digitalisierung ist, dann war es vor 10 Jahren Globalisierung. Die Globalisierung ist nämlich längst da und den Wettbewerber dieses Filter-Herstellers, den sieht er vielleicht nicht, aber der kann schon ein paar Meter weiter in Tschechien, Schweden oder Spanien sitzen.

Wenn die Digitalisierung als großer Bruder der Globalisierung mit dazu kommt, dann ist für den Einkaufenden, der über ein mehrsprachiges Übersetzuns-Interface-Multi-Europa-Marktplatz, so wie wir uns das überlegen, dann steht der spanische Hersteller, der nicht so zertifiziert ist, neben dem deutschen und dem tschechischen. Der Hersteller aus dem bayrischen Wald merkt dann, dass seine Kunden verschwinden und kann sich nicht erklären warum, weil er nicht spürt, wo seine Nachfrage bleibt. Deshalb muss er rechtzeitig anfangen sich zu digitalisieren – und mit Digitalisierung geht immer Internationalisierung einher. Das ist unausweichlich. Der Schrecken der Globalisierung wird durch die Digitalisierung erst richtig spürbar.

Nils: Dann lass uns doch in Richtung Softwareentwicklung gehen. Wir haben schon gehört, dass Softwareentwicklung für viele Jahrzehnte nicht Teil von WLW war und heute ist es der Kern. Alles dreht sich um das digitale Produkt. Wie hat sich die Firma dadurch verändert? Softwareentwickler sind Freigeister in ihrem Wesen. Ich stelle mir vor, dass es Potenzial für Konflikte und Diskussionen gibt, wenn ich 20 Softwareentwickler in einen Verlag setze.

Felix: Wenn wir noch ein echter Verlag wären, dann wäre es, als ob wir Öl ins Wasser kippen. Ich glaube, dass haben wir alle an diesem Tisch schon erlebt. Bei WLW ist es so, dass es ein kontinuierlicher Prozess ist und sich Kulturelemente beginnen zu mischen. Wenn man ein Geschäftsmodell im B2B-Bereich betreibt, muss man sales-lastiger denken. Man muss gucken, ob die Dinge, die man macht, etwas bringen – oder mache ich bescheuert Innovation und treffe manchmal auf ein Golden Nugget? Das ist etwas, was man in der Start-Up-Szene viel beobachtet. Eine zielgerichtete Firma wie wir nimmt dieses Kulturelement aus der Sales-Getriebenheit mit, auf der anderen Seite kommen aus der Softwareentwicklung Themen, die in das restliche Unternehmen überschwappen, wie zum Beispiel agiles Arbeiten.

Ob es im Rest des Unternehmens tatsächlich agiles Arbeiten wird, oder ob sich eine Tele Sales Unit, wie wir das haben, die Idee von einem Kanban-Board schnappt und plötzlich sehen die acht Kundenbetreuer auf dem Board, wer wieviel an wen verkauft hat. Außerdem sieht man eine Tagesstatistik oder es gibt Aufgaben, die noch erledigt werden müssen.

Da beginnen sich die Kulturen zu vermischen. Das ist spannend. Was mir sehr gefallen hat, ist dass wir fast zwei Jahre lang immer jeden zweiten Freitag ein Review Meeting hatten. Die Softwareentwickler haben allen, die interessiert waren (und es kam immer eine bunte Mischung aus allen Abteilungen), vorgestellt, was sie in den letzten zwei Wochen herausgegeben haben. Das ist wieder verloren gegangen, weil die Softwareentwicklung ein Stück weiter ist. Wir wollen in Richtung Continuous Delivery. Da müsste man jeden Tag über einen Chat sagen, was gerade neu ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Rest der Firma zuhört.

Was sicherlich auch ein bisschen Kultur-Übertrag gebracht hat, ist Pizza und Bier. Das ist ein Format, wo man in einer Agentur meistens einen Kasten Bier killt, dazu was isst und etwas Afterwork macht. Das haben wir mit der ganzen Firma angefangen und man kann sich da informell über alle Hierarchiestrukturen austauschen. Ich überlege noch, was für Kulturelemente rechts und links herum schwappen. Zum Beispiel in einem Wiki offen zu dokumentieren. Am Anfang haben nur die Entwickler angefangen, mit einem Tracking-System, auch Bugs und Change Requests, wie man das kennt, zu dokumentieren. Jetzt hat auch der Sales- und Marketingbereich eigene Wiki-Areas und es ist alles komplett offen bis zu Human Resources. Man kann sich alles durchlesen und schnell Dokumente austauschen.

Carsten: Du hast gerade eben schon das Agentur-Feeling angesprochen. Unser CEO benutzt immer das Schlagwort des Re-Start ups.

Felix: Wer das wohl erfunden hat…

Carsten: Wer das wohl erfunden hat. Wahrscheinlich war es unser CTO. (Beide lachen)

Man sieht, in unserem Unternehmen wird es über Copy und Paste gemacht. Auf jeden Fall stimmt das. Wir haben, wie es sich für ein Start Up gehört, ein Spielzimmer. Wir haben aber auch das ganze Thema Hierarchie und Transparenz auf ein deutlich aktuelleres und schlankeres Niveau gebracht. Sprich, Hierarchien abgebaut und Transparenz extrem gefördert. Es gibt alle sechs bis acht Wochen ein Company Meeting, wo alle Mitarbeiter zusammengerufen werden und das Management aktuelle Zahlen zeigt. Das wäre in einem alten Verlagswesen gar nicht möglich gewesen. Nach dem Motto: „Wow ist, wenn die Umsatzzahlen offen kommuniziert und transparent dargelegt wird, ob man die Ziele erreichen kann, ob man vor der Welle oder hinter der Welle ist.“ Das sind alles Indikatoren dafür, wie sehr sich die Struktur und Philosophie innerhalb des Unternehmens geändert hat.

Nils: Okay, Thema Transparenz kann man dann an allen Ecken abschließen.

Felix: Genau, nicht in jeder Firma bekommt man Kundenumsatz-Gewinne und Traffic alle paar Wochen transparent erzählt, egal von welchem Dorf man in der Firma kommt.

Carsten: Auf der einen Seite kann man so gemeinsam Erfolge feiern, auf der anderen Seite weiß auch jeder im Unternehmen, wenn man durch ein kleineres Tal läuft oder auch bei Projekten die Timeline nicht einhalten kann, sodass man selber mehr Motivation bekommt, um das Ziel doch zu erreichen.

Wann hat Wer liefert was beschlossen, die Verantwortung für die Digitalisierung selbst zu übernehmen?

Nils: Jetzt hattet ihr am Anfang gesagt, die erste Version der Webseite, als es noch parallel Webseite und Verlag war, wurde durch Zulieferer gemacht. Heute gibt es kleine Randbereich mit Partnern, aber das Kernprodukt wird inhouse entwickelt. Wann war der Punkt, dass ihr gesagt habt: “Das müssen wir selber machen”? Und wie war der Prozess? War es einfach oder war es schwierig?

Felix: Da waren wir beide noch nicht im Unternehmen, aber ich durfte die Nachwehen davon noch erleben und eigentlich war es auch ganz typisch. Jeder macht das, was er am besten kann. Das hat diese Firma auch gemacht. Sie konnte gut SAP aus den 80er Jahren und irgendwann hat sie sich ein Redaktionssystem hinein programmiert, um mit diesem System das Buch zu publizieren.

Man hatte hinterher eine Druckvorlage, die aus SAP einmal im Jahr in eine Druckmaschine gespielt hat und das hat dazu geführt, dass man sich am Anfang der Digitalisierung, wenn man nur das digitale Komplement herstellt, überlegt hat: „Das ist toll. Wir publizieren das nicht in einem Buch, sondern auf einer Webseite.“ Dann sind wir auf einen Zulieferer zugegangen, haben uns eine Website programmieren lassen, bei der man jeden Tag und Nacht einmal die Datenbank aus SAP publiziert hat.

Es war eine statische Webseite, die Stichwortbasiert funktionierte. Das war bis vor 5 Jahren so. Dann kam der Zeitpunkt, an dem es reichweitenmäßig nicht mehr erfolgreich war und übrigens auch der Zeitpunkt, an dem die Firma den Besitzer gewechselt hat. Das Management und die kaufende Firma haben sich dann überlegt: Eine statische Webseite für eine B2B-Suche kann nicht sein. Das muss eine Kernkompetenz sein. Man hat erst mit freien und dann mit festen Mitarbeitern versucht, selber aufzubauen und dann vor drei Jahren, so wie man es richtig macht, eine Webmaschine, die selber indizieren kann.

Ich glaube, das ist der Punkt, an dem man sich überlegen sollte: Wann lohnt es sich, ein eigenes Entwicklungsteam zu haben (ob es ein Entwicklungsteam für ein Beatmungsgerät, eine Webseite oder eine Autopilot-Steuerung fürs Auto ist)? – Nämlich in dem Moment, wo es zum Kerngeschäft und strategisch wichtig wird und der Hebel des Erfolges verloren geht.

Alle 5-7 Jahre war in dieser Firma der Hebel auf den Erfolg, die Reichweite der Webseite, verloren gegangen und zum Glück wurde bemerkt, dass etwas Neues gemacht werden muss. Nur das hat ermöglicht, die alte Webseite so zu verbessern, dass sie State of the Art ist und darauf dann eine Produktsuche aufzubauen mit der Nutzerschaft, die man schon gewonnen hatte. Das ist die einzige Möglichkeit, die man in dem Fall hat.

Nils: Letzte Frage zum Thema Software: Wenn jemand an dem Punkt steht, wo WLW vor ein paar Jahren war; das Kernprodukt muss digital werden und man muss Software entwickeln, wo keine war. Wenn du nochmal ein paar Jahre zurückreisen würdest, welchen Fehler würdest du nicht wiederholen wollen?

Felix: Ich würde wahrscheinlich alle Fehler nochmal machen. Das macht einen schlau. Es gibt ein paar Themen, die mit Webentwicklung zu tun haben, die man altklug jüngeren CTOs ins Handbuch schreiben kann. Man hat manchmal Themen, die möchte man gerne kontrollieren, vor allem was man selber hostet, was an Webseiten ausgespielt wird. Es gibt häufig auch Dinge, die sind nicht so wichtig.

Jetzt nicht böse sein, Carsten, aber zum Beispiel was die Firma über sich selber sagen möchte, Unternehmenswebseite, Marketing Website, Landingpages. Alles was nicht zum Kerngeschäft gehört, ist eine Sache, die kann man super outsourcen. Alles was Content Management angeht, kann man super outsourcen. Als ich in diese Firma kam, wurde das alles mit eigenen Entwicklern gemacht mit einem CMS und das ist die teuerste Tasse Kaffee.

Wenn man das Geld hat, wie diese Firma zum Beispiel, ist es nicht unbedingt eine Kostenfrage, sondern es macht einen langsam, weil man mit anderen Dingen beschäftigt ist. Alles was Contentmanagement ist, würde ich rausgeben. Das hätte ich früher auch bei anderen Firmen machen sollen.

Das andere ist, sich zu überlegen, wann man Sachen herausgeben kann, wenn man Systeme hat, die standardisiert sind, zum Beispiel Themen, wie Abrechnung, Kreditkarte Fakturierung und ähnliches. Aufgrund unserer Historie wickeln wir das selber ab. Das wird uns beim Internationalisieren helfen. Bei anderen Firmen habe ich immer zugesehen so etwas hinauszuschieben.

So etwas wie Hosting in die Cloud zu schieben, hat keinen großen Kosteneffekt und man macht sich sehr abhängig. Es ist en vogue zu sagen, ich kann leichtgewichtig Kleinstfirmen nur mit Cloud Diensten bauen. Irgendwann kommt der Bedarf, die Online Time und die Verfügbarkeit besser kontrollieren zu wollen. Da wird man auf ein eigenes System zurückgehen. Das wird sich aber auch ändern. Wir sind auch vorbereitet, uns in die Cloud aufzulösen. Auch wenn Carsten noch gar nichts davon weiß. Internet of Things, da kommen wir nicht so vor, aber vielleicht unsere Kunden irgendwann.

Was ist das größte Thema, das Wer liefert was im Rahmen der Digitalisierung als nächstes angehen wird?

Nils: Ich denke, wir sind mit den Fragen, die ich vorbereitet hatte, gut durch. Das waren super spannende Antworten und die Zuhörer werden meiner Meinung nach viel mitnehmen. Zum Abschluss habe ich drei Standardfragen, die ich jedem stelle. Was ist das größte Thema, das ihr im Rahmen der Digitalisierung als nächstes angehen werdet?

Felix: Massiv Produktdaten des Mittelstandes und der verarbeitenden Industrie zu digitalisieren. Das ist etwas, was nicht auf der Oberfläche liegt. Etwas, was google nicht finden kann. Ich glaube, das ist unsere nächste Aufgabe.

Carsten: Dem habe ich nichts hinzuzufügen. (Alle lachen.)

Was sind die hilfreichsten Quellen zur Digitalisierung?

Nils: Zweite Frage in der Richtung: Was haltet ihr für die aktuell hilfreichste Quelle zum Thema Digitalisierung? Gerade du, als CTO,  gibst eine Marschrichtung vor, der viele Leute folgen. Wie bildest du dich weiter?

Felix: Ich folge auf Twitter den richtigen Quellen, damit ich bunt durchmischt mitbekomme, was los ist. Der Zuhörerschaft kann ich nur sagen, der Blog von Google ist ziemlich gut und sehr unbekannt auf blog.google.com. Ich bin kein Superfan von Google Produkten, aber Google ist in jedem Feld der Digitalisierung unterwegs und – ob sie relevant oder irrelevant sind – sie bloggen über ihre Vorhaben und das kann schockierend sein. Als Ausgleich auf der politischen Seite kann ich ”Heise-Telepolis” nur empfehlen, da kriegt man über Diskussionen bis zu selbstfahrenden Autos einen guten Überblick. Für Security-Sachen ist der absolute Obergott der Mikko Hypponen, dem ich folge, und alles, was der twittert bringt mich bei Blockchain-Betrugssachen, Hackings und Passwordscams aufs Neuste. Denn das ist die dunkle Seite der Digitalisierung. Vielleicht sollte ich mit dir zusammen darüber noch mal eine Podcast-Folge machen. Ich kann auch unser eigenes WLW-Portal das Inside Business, die Kategorie Digitalisierung des Mittelstands, nur empfehlen. Etwas praxisbezogener und etwas näher an den Herstell-Betrieben, von Digitalisierung des Einkaufsprozesses bis zu den ersten Internet of Things, findet man dort jeden Monat etwas Neues.

Nils: Das werde ich im Anschluss verlinken. Letzte Frage: wen würdet ihr gerne in einer zukünftigen Folge hier im Podcast hören? Ich habe schon zwei unrealistische Wünsche bekommen, Emmanuel Macron und den unbekannten Menschen, der das ursprüngliche Bitcoin-Paper geschrieben hat. Vielleicht werde ich ihn finden. Habt ihr einen realistischeren Gast, den ich greifen kann?

Carsten: Ich kann zwei Gäste vorschlagen, die ich dieses Jahr auf Konferenzen gesehen habe und die mich beide beeindruckt haben. Zum einen der omnipräsente, aber trotzdem nicht schlechte Frank Thelen, der sicherlich allen ein Begriff sein dürfte. Wenn man ihn live erlebt, nimmt er auf seinen Konferenzen über Zukunftsthemen kein Blatt vor den Mund. Er sagt wortwörtlich: “Ich finde es scheiße, dass ich ein amerikanisches Auto, nämlich einen Tesla, fahren muss, weil es die deutschen Autobauer nicht hinbekommen ein vernünftiges E-Mobil zu bauen.”

Das ist eine kurzweilige und spannende Aussage, von denen er in seinem Vortrag mehrere trifft. Der andere ist auch omnipräsent in TV und verschiedenen Diskussionen, doch auch er hat mich sehr geflasht. Richard David Precht, der auch einen sehr guten Vortrag zum Thema Digitalisierung hat und aus einer philosophischen Sicht kommt und erklärt, wie in Zukunft gearbeitet wird. Er sagt, dass um ein bedingungsloses Grundeinkommen kein Weg vorbei führt, weil so viele Tätigkeiten in Zukunft digitalisiert werden, dass wir nicht genug Arbeit für alle Menschen haben werden. Das wird kommen und es wird viel mehr darum gehen, wie die Leute ihren Tag füllen und wie wir wieder Kreativität lernen, weil man sonst däumchen-drehend herumsitzen und verblöden würde. Das sind zwei Themen, die mich dieses Jahr sehr positiv überrascht haben.

Felix: Tja, ich kann beliebig hochschießen bei den Gästen, die ich dir wünsche. Einen exotischen Gast als kleines Rätsel. Ich wollte immer mit dem Programmierer der Voyager-Sonde [Larry Zottarelli] reden. Ich weiß nicht, wo er sich aufhält. Ich glaube, er war Europäer. Die Voyager-Sonde wurde mehrfach umprogrammiert in den 25 Jahren, wo sie im inneren Sonnensystem unterwegs war. Ich glaube, als letztes wurde auf Entfernung noch JPEG implementiert, um die Uranus-Bilder durchzubekommen. Das ist ein Gesprächspartner, mit dem ich mir 10 Stunden Podcast anhören würde.

Das ist das unrealistische Ende. Am realistischen Ende und Digitalisierung vom Lebensniveau fände ich Jörn Riedl, den ich kennenlernen durfte, spannend. Er ist der CIO der Stadt Hamburg, der E-Government und IT-Steuerung macht. Der macht sich Hands-on Gedanken, wie die jetzigen IT-Systeme der Verwaltung nutzbringend für uns Bürger verändert werden können, sodass sich der Kontakt mit dem Staat auch beginnt sinnvoll und leichtgewichtig zu digitalisieren. Es hat mich sehr gefreut, als ich ihn letztes Jahr auf einer Veranstaltung gesprochen habe, dass sich ein schlauer Mann Gedanken macht und sich hoffentlich durchsetzen wird.

Nils: Das war unser heutiges Gespräch mit Felix Menden und Carsten Brandt von der Wer liefert was? GmbH. Vielen Dank für das Gespräch.

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