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E001: Was kann sich durch Digitalisierung in einem Unternehmen verändern? – Christopher Nigischer (Consider IT)

    "Mit der Erfindung des Internets wurde begonnen, unsere Welt in all ihren Facetten digital abzubilden."

    Unser erster Ausflug in die Untiefen der Digitalisierung führt mich zu Christopher Nigischer von der Consider IT GmbH.  Wir kennen uns schon seit über zehn Jahren, als wir beide bei Altran gearbeitet haben und haben seitdem den Kontakt gehalten. Christopher bewegt sich mit Consider IT auf beiden Seiten der Digitalisierung, einige Geschäftsfelder verändern sich für ihn dadurch, auf anderen Geschäftsfeldern hilft er seinen Kunden bei der Umsetzung der Digitalisierung.

    Links aus dem Interview:

    Transkript:

    Nils: Vor mir sitzt Christopher Nigischer, Geschäftsführer der Consider IT GmbH, und wir werden uns jetzt darüber unterhalten, was Digitalisierung für ihn und sein Unternehmen bedeutet. Erzähl mal: Wer bist du? Was hat dich hierher getrieben?

    Christopher: Danke, Nils. Ich freu mich auf die Gelegenheit zum Gespräch. Wer bin ich? Ich bin ursprünglich Österreicher. Seit zwölf Jahren bin ich erst in Hamburg und lerne richtiges Deutsch. Die ersten Jahre waren wir Kollegen bei Altran Technologies, wo ich das Geschäft der Technologieberatung gelernt habe und dann dort als Manager einen Bereich geführt habe. Letzten Endes hat das zu meiner heutigen Tätigkeit geführt, nämlich als Unternehmer tätig zu sein, sich selbstständig zu machen und mit Till Witt 2010 die Consider IT GmbH zu gründen. Dort haben wir erstmal sehr ähnlich weitergearbeitet wie zuvor im Angestelltenverhältnis. Mit unseren Teams aus Informatikern und Ingenieuren bearbeiten wir Projekte für Kunden. Daraus ist mehr geworden. Dieses Jahr hatte ich schon die ein oder andere Gelegenheit, auf Konferenzen zu sprechen und Kurzprofile auszuarbeiten, wo man in tausend Worten oder Zeichen über sich selbst spricht.

    Ich neige dazu, mich als kleinen Serienunternehmer zu bezeichnen, weil zu Consider IT eine Reihe weiterer Unternehmen dazu gekommen sind, wie die Consider US, Consider Food oder die Consider Carbon. Diese Woche Montag waren wir wieder beim Notar und haben die Chainstep GmbH gegründet, die sich auf Beratungsthemen rund um Blockchain-Technologie spezialisiert. Wir haben einen bunten Mix aus Unternehmen am Start, auch verschiedene Geschäftsfelder betreffend, wie den Online-Handel für Allergiker-Lebensmittel im klassischen Business zu Konsumgeschäft über Zeitarbeit und IT-Beratung bis hin zu eigenen Innovationsprojekten im Bereich additive Fertigung und Blockchain-Technologie. Es besteht eine große Bandbreite. Es ist auch eine super-spannende Aufgabe für mich, überall als Geschäftsführer und Gesellschafter aktiv mitzuwirken, indem ich den Kollegen den Rahmen gebe, den sie brauchen, um erfolgreich zu sein, und die Dinge vorantreibe. Insofern glaube ich, dass ich zur Digitalisierung vielfältige Berührungspunkte habe. Lass uns gleich in die Thematik einsteigen.

    Nils: Super spannend. Wie Christopher sagt, wir kennen uns schon eine ganze Weile und haben auch gelegentlich den Kontakt gehalten, aber einiges ist auch für mich neu, obwohl wir gelegentlich mal ein Bier trinken waren.

    Was ist Digitalisierung?

    Nils: Die Motivation für diesen Podcast ist, dass Digitalisierung alles und nichts bedeutet und ich Geschichten sammeln möchte. Du hast ein paar Themen angerissen, die euch betreffen. Es klingt durch, dass du auf der einen Seite Unternehmen bei der Digitalisierung hilfst und dass du in bestimmten Geschäftsfeldern auch selber von der Digitalisierung betroffen bist. Wenn du es charakterisieren müsstest, was bedeutet denn Digitalisierung für dich und deine Unternehmen?

    Christopher: Ich würde es so darstellen, dass mit der Erfindung des Internets Ende des letzten Jahrhunderts ein Weg begonnen wurde, unsere Welt in all ihren Facetten digital abzubilden: von Informationen über Dinge bis hin zu menschlichen Beziehungen und Vertragskonstruktionen und der Möglichkeit Geschäfte einzugehen. Das ist heute alles möglich.

    Jetzt sehen wir einen Wandel dahin, dass die digitale Welt ein Stück weit ein eigener Wirtschaftssektor ist, der nicht nur die physische Welt abbildet, sondern völlig eigenständige Möglichkeiten bietet zu wirtschaften, sich zu vernetzen, Kontakte zu knüpfen, etc. Das ist so spannend für die Wirtschaft, weil Digitalisierung dabei hilft die Effizienzpotenziale zu heben, Prozesse nicht mehr über Papier und den physischen Austausch abzuwickeln, sondern digital in Lichtgeschwindigkeit und völlig unabhängig von Raum und Zeit. Wir können somit global zusammenarbeiten und haben dadurch ein riesiges Potenzial an Kunden, Mitarbeitern und Dienstleistern, auf die wir unmittelbar zugreifen können. Die Globalisierung macht damit den Absatz der physischen Güterströme ganz krass möglich. Damit einher geht eine Beschleunigung, aber auch die Notwendigkeit für Firmen, sich darauf einzustellen. Es wäre Quatsch, einen Papierprozess einfach 1:1 digital abzubilden. Das bringt zwar auch Vorteile, aber richtig attraktiv werden die Vorteile erst, wenn du die spezifischen Möglichkeiten der digitalen Technik für dich nutzt und darauf aufbauend ganz neue Geschäftsmodelle erschaffst.

    Schauen wir uns konkret den Teil des Unternehmens an, wo wir betroffen sind und den Wandel aufgrund der Digitalisierung auch selbst vollziehen müssen. Wir sitzen hier in den Räumlichkeiten von Adler Personal. Das ist der Betriebsteil, der sich mit Zeitarbeit beschäftigt. Wir haben Kunden im gewerblichen Bereich – Logistik-Unternehmen, für die wir arbeiten und denen wir im Rahmen der Arbeitsüberlassung Personal stellen. Zwanzig Mitarbeiter sind beim Kunden vor Ort im Einsatz und zwei Disponenten hier im Büro. Dazu haben wir noch eine Auszubildende, die das Team unterstützt, und hoffentlich zur künftigen Disponentin ausgebildet wird. Es ist ein sehr papiergetriebenes Geschäft, das bei den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter beginnt. Man ist gut beraten, das in Schriftform zu tun und diese Dokumente aufzubewahren. Ein guter der Teil der Miete geht dafür drauf, dass wir den notwendigen Platz haben, das Papier aufzuheben. Über die Arbeitsverträge hinaus haben wir auch Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit den Kunden. Hier gibt es durchaus sehr strenge gesetzliche Regelungen und auch regelmäßige Kontrollen der Aufsichtsbehörden, in diesem Fall der Agentur für Arbeit. Es wird überprüft, ob die Zeitarbeitsfirmen regelkonform arbeiten, ob Aspekte wie Mindestlohn, Tarifverträge und darüber hinausgehende Verpflichtungen, die erneut nachgeschärft worden sind, eingehalten werden. Letztes Jahr gab es erst eine Kontrolle, bei der drei Mitarbeiter der Agentur für Arbeit bei uns alle Akten des letzten Jahres verlangt haben. Nachdem die Kollegen die Akten herausgesucht haben, wühlten sich die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ein paar Tage durchs Papier. Gott sei Dank haben wir dann die Nachricht erhalten, dass es keine Beanstandungen gab. Natürlich kann das auch anders gehen. Es ist naheliegend, dass solche Überprüfungen auch anders durchgeführt werden können. Das können wir uns beide vorstellen, aber so ist die Welt der Zeitarbeit heute.

    Nils: Das heißt, im Prinzip sind es zwei Schnittstellen, die es schon immer gab, auf der einen Seite die Kontrolle und auf der anderen Seite die Beziehung zu den Mitarbeitern. Schätzt du, dass die Digitalisierung das radikal verändert hat, oder ist es ein Feld, das man noch mal angehen könnte?

    Christopher: Es gibt noch Möglichkeiten, sich anders aufzustellen, bis hin zu papierlosen Organisationen, aber damit kommen wir zum Thema Kulturwandel. Das hast du bereits angesprochen. Wir haben hier ein Team mit bis zu 15 Jahren Erfahrung in Zeitarbeit, die den Papierprozess gelernt haben. Bis jetzt habe ich mich nicht getraut, das radikal umzustellen, weil ich im Gespräch mit dem Team noch Widerstände feststelle und es erschien mir nicht sinnvoll, es von oben aufzuzwingen.

    10 Minuten Antwortzeit auf digitale Stellenanzeigen

    Christopher: Es gibt auch andere Beispiele, in denen Digitalisierung stark gelebt wird. Wo kriegen wir zum Beispiel unsere Bewerber her? Die effizienteste, stärkste und beste Quelle ist Facebook. Die Kandidaten, nach denen wir suchen, sind gut organisiert in Gruppen. wie zum Beispiel “Stellen um Hamburg”. Und diese Facebook-Gruppen funktionieren so, dass man dort seine Stellenanzeigen postet und 10 Minuten später zwei bis drei Bewerber am Start hat. Wenn es gut geht, wird am gleichen Tag das Bewerbungsgespräch geführt und am nächsten Tag startet der Mitarbeiter beim Kunden.

    Nils: Wow!

    Christopher: Das ist keine Utopie, sondern gelebte Praxis. Da kommt Digitalisierung voll zum Tragen. Man sieht auch, was für ein Potenzial dahinter steckt, denn wer sollte Facebook verbieten, den ganzen Rest der Wertschätzung als Softwarelösung, als digitaler Agent einfach mitzumachen und möglicherweise braucht es dann irgendwann den ganzen Rattenschwanz dahinter, die Disponenten der Zeitarbeit, nicht mehr in dem Umfang wie heute.

    Das ist ein weiterer Weg dorthin. Wir sehen, dass Zeitarbeit auch immer noch ein Beziehungs-Geschäft ist. Man muss die Mitarbeiter kennenlernen, einschätzen, wer zuverlässig ist und wen man zu seinen Kunden schicken kann. Auch auf der Kundenseite muss man wissen, mit wem man arbeitet und wie das Kundenumfeld ist. Wir werden heutzutage nicht von Bewerbern überlaufen, sondern es ist ein Verkaufsjob – sowohl beim Kunden, als auch beim Mitarbeiter und Bewerber, weil die guten Leute es sich aussuchen können. Der Arbeitsmarkt ist mittlerweile so trockengelegt, dass wir Überzeugungsarbeit leisten müssen.

    Nils: Thema Kulturwandel, im Prinzip bringen die Leute, die in Facebook-Gruppen nach Jobs suchen, die Kultur, mit der sie von Haus aus aufgewachsen sind, mit? Schließlich kennen sie es nicht anders?

    Christopher: Ja.

    Nils: Und im Prinzip müssen sich die Leute, die nicht so aufgewachsen sind, dem anpassen. Wenn in der Zukunft Firmen ihre Stellen nur noch über Facebook ausschreiben, weil die klassischen Regeln nicht mehr attraktiv sind, dann bedeutet das eventuell, dass Leute auf der Strecke bleiben.

    Christopher: Möglicherweise. Gerade im Bereich des Arbeitsmarktes gibt es noch genug analoge Angebote. Die Agentur für Arbeit kümmert sich persönlich und individuell um die Leute und macht das sehr gut. Daher habe ich kurzfristig diese Befürchtung nicht. Es ist eher so, dass wer die Chancen erkennt, sie gut für sich nutzen kann. Es ist natürlich convenient, dass das Smartphone fast immer am Start ist, egal, wie die Qualifikation eines Bewerbers aussehen. Facebook hat eine Marktdurchdringung, die für uns einen guten Weg etabliert hat, und unser Team nutzt diesen Weg hervorragend. Auch, indem es sich selbst als Arbeitgeber auf Facebook präsentiert. Dieser Kanal ist mittlerweile wichtiger als die eigene Homepage. Natürlich geht das mit Risiken einher. Man ist von diesem amerikanischen Konzern ein Stück weit abhängig, muss nach dessen Regeln spielen und hat auch auf Regeländerungen keinen Einfluss. Das sind Randbedingungen, die einen Teil von der eigenen Wertschöpfung abziehen und als Wert in Amerika entstehen lassen, obwohl es ein Bewerbungsprozess ist, der hier in Deutschland abläuft. Aber gut.

    Gibt es Datenschutzprobleme durch die Digitalisierung mit Facebook?

    Nils: Jetzt hattest du gesagt, dass die Prüfung von der Agentur für Arbeit gut und elegant durchgelaufen ist, siehst du da Facebook als Risiko für zukünftige Prüfungen? Facebook und Datenschutz sind zwei Wörter, die Hand in Hand kommen.

    Christopher: Ehrlich gesagt hatten wir ein ganz spannendes Beispiel, so aus der Schule geplaudert. Wir hatten vor eineinhalb Jahren einen Vorfall im Bereich Datenschutz. In einer Facebook-Gruppe wird auch emotional diskutiert. Heute würde man das wahrscheinlich Hasskommentar nennen. Ein Bewerber hat sich ungerecht behandelt gefühlt und dann sehr piseling über unsere Kollegin, die mit ihm in Kontakt stand, in der Gruppe kommuniziert. Worauf sie ihm geschrieben hat: “Sie hätten sich ja nicht bei uns bewerben müssen.” Daraufhin meinte er: “Was fällt ihnen ein? Sie legen hier in der Gruppe offen, dass ich mich beworben habe. Ich fühle mich in meinen Datenschutzrechten verletzt. Blabla.” Er hat dann angedroht, diesen Fall an den Hamburger Datenschutzbeauftragten zu geben. Wir hatten es nicht erwartet, aber er hat es gemacht. Wir dachten, “Ach ja komm, ist sicher ein Graubereich, also muss man sich genau anschauen.” Dann kam ein Brief mit der Aufforderung den Sachverhalt zu schildern. Das haben wir gemacht und es hat zu keinen weiteren Konsequenzen geführt.

    Es war aber eine interessante Erfahrung zu sehen, wie nahe die Rechtsverletzungen doch liegen. Damit sind wir wieder beim Kulturwandel. Die Kollegin hat in dem Moment, in dem er mit dem Datenschutzbeauftragten gedroht hat, gewusst, dass es nicht so cool war. Vorher hatte sie das aber nicht auf dem Zettel, dass so etwas um die Ecke geschossen kommt.  Den Anlass haben wir genutzt, um das zu adressieren und in der Belegschaft für mehr Sensibilität für das Thema zu sorgen.

    Wir hatten auch den Fall, dass uns Ransomware betroffen hat. Da wir uns natürlich immer freuen, wenn Bewerbungsunterlagen kommen, ist der Blick, was ist das jetzt für eine Datei und kann ich die öffnen, nicht so scharf, wie er sein müsste. Peng, alles war verschlüsselt und wir durften dann einen Bitcoin bezahlen, was damals noch nicht so viel Geld war.

    Das wars mit krassen Geschichten, die ohne Digitalisierung nicht stattfinden würden. Als kleine Abrundung zu diesem Themenblock, denke ich, dass für Unternehmen jeder Größe einerseits Chancen und Effizienzpotenziale hebbar sind, doch jeder muss seinen individuellen Weg dafür finden und die Leute mitnehmen. Zum anderen handelt man sich, wie beim Thema Datenschutz oder Hackerangriffe, neue Risiken ein, die es ohne Digitalisierung nicht gäbe. Meine Hypothese dazu ist, dass wir alle das Thema Verschlüsselung, Datenschutz und Kryptographie mit seinen Möglichkeiten noch mehr kennenlernen müssen, weil darin ein Teil der Lösung dieser Probleme steckt. Trotzdem ist es ein Wissensbereich, der mit dem richtigen Umgang mit Passwörtern beginnt. Mittlerweile beginnen öffentliche Rundfunkanstalten, die Leute zu informieren.  Das reicht bis hin zu neuen Geschäftsmodellen, die durch Kryptographie und neue Technologien wie Blockchain beispielsweise wirklich werden. Kryptographie wird dann auf einmal ein Business-Enabler, der bestimmte Maschinen oder Krypto-Economics erst realisierbar macht. Das sehen wir gerade bei Digitalisierung 2.0 und in Feldern, wo wir das auch vorantreiben und nicht nur Betroffene sind.

    Nils: Spannend. Wir können da den Bogen gleich hinschlagen. Digitalisierung 2.0 höre ich jetzt zum ersten Mal, aber das war zu erwarten. (Beide lachen)

    Christopher: Ich will das nicht dogmatisch in den Markt treiben.

    Nils: Letztendlich haben wir die Kernprozesse, die es schon immer gab. Man hat immer schon versucht, Mitarbeiter zu finden. Ich find es total spannend, was es für Detailprobleme, Herausforderungen und Möglichkeiten gibt.

    Jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo ihr bei der Umsetzung der Digitalisierung helft, Thema Softwareentwicklung, Produktentwicklung, Internet of Things. Dazu habe ich eine Randnotiz, du sagtest eben, dass Rundfunkansstalten heute schon über Passwortsicherheiten reden. Wahrscheinlich liest man in der Apothekenrundschau irgendwann, wie man sein Passwort am besten macht. Das ist einfach ein neues und junges Thema. Die Jahrzehnte, die man bestenfalls hatte, sind eine unheimlich kurze Zeit. Das heißt, dass es den Leuten, die es umsetzen, vielleicht nicht bewusst ist.

    Wenn man über das Thema Werte nachdenkt; ich bin Softwareentwickler vom Background her. Mir hat niemand erklärt, was für eine Verantwortung ich irgendwann haben werde, indem ich Dinge bauen kann. Hätte ich Medizin studiert; den Hippokratischen Eid gibt es seit etwa dreieinhalb tausend Jahren. In anderen Disziplinen ist es unheimlich tief verankert, dass man sich Gedanken darüber macht, was man tut, aber die meisten Softwareentwickler sind heute wahrscheinlich noch so unterwegs: “ Cool, kann ich, mach ich, probier ich mal, was passiert.” Und dann kommen Sachen raus, die man vorher noch gar nicht antizipiert hat.

    Chancen der Digitalisierung

    Thema Software, spannen wir den Bogen dahin, an welchen Stellen mischt ihr mit? Du hast schon gesagt, Blockchain ist ein Thema, wo ihr dabei seid.

    Christopher: Ja. Vor etwa ein bis zwei Jahren, hat es die Consider IT etwa fünfeinhalb Jahre gegeben und wir hatten uns etwas aufgebaut. Jetzt sind es 40 Mitarbeiter und es ist eine gewisse Stabilität erreicht. Viele GmbHs überleben das erste, zweite oder dritte Jahr nicht. Da haben wir ein paar Stürme der ersten Jahre gut umschifft und die teilweise auch gespürt, aber gut. Wir haben die Firma gegründet, damit sie bleibt und in strategischer Hinsicht hatten wir sehr früh gesagt, dass wir diversifizieren. Wir wollen unterschiedliche Geschäftsfelder erschließen, wenn sich die Möglichkeiten ergeben. Unter Aufzählung der verschiedenen Themen kann man sagen, dass wir diesem Leitspruch treu geblieben sind. Es gab auch das Risiko sich zu verzetteln, aber ich glaube, da haben wir eine sinnvoll Balance hinbekommen.

    Das andere Thema war, dass wir über die reine Dienstleistung hinaus eigene Produkte und Intellectual Property perspektivisch schaffen wollten, und das geht nicht, wenn du beim Kunden vor Ort Projekte realisiert. Du musst Freiräume schaffen, musst dafür auch Geld in die Hand nehmen und musst dir vielleicht überlegen: Wie kannst du über externe Finanzierungsinstrumente, Venture Capital oder Fördermaßnahmen solche Aktivitäten finanzieren?

    Wir haben uns zwei Technologiefelder rausgesucht. Wir konnten es auf der grünen Wiese machen. Wir waren da nicht vorbelastet. Ursprüngliche Kernkompetenzen waren nicht stark ausgeprägt, weil jedes Kundenprojekt anders ist. Daher haben wir gesagt, “Komm, wenn wir es uns aussuchen können, was ist denn aktuell der heißeste Shit, was du machen kannst?”  Und dann sind wir bei Blockchain-Technologie und additiver Fertigung gelandet und haben in beiden Bereichen Projekte angeschoben: Additive Manufacturing und 3D-Druck, stärker mechanisch, mechatronisch geprägt, aber immer auch mit der Verbindung zur Software. Wir entwickeln neue 3D-Druckverfahren, die einerseits sehr große Objekte in kurzer Zeit druckbar machen und zum anderen 3D-Druck und Komposit-Materialien verbinden um Form, Flexibilität und die Eigenschaften von Komposits zu verknüpfen. Da ist viel Mechanik-Entwicklung dabei, teilweise spielen auch Verfahrensentwicklung und Materialtechnik eine Rolle, aber auch die Software, die diese Prozesse steuert, ist wichtig. Ich würde sagen, da hat sich durch Digitalisierung nicht allzu viel verändert.

    Bei der Softwareentwicklung sind es Instrumente für den Austausch, wie Slack, die mehr Interaktivität für Entwicklerteams bieten. Dadurch kommt Geschwindigkeit rein, weil man nicht im eigenen Saft der Probleme brütet, sonder auch mal eine Frage raushaut und sich Communities anschließt. Das ist alles sehr zugänglich, aber auf die Zusammenarbeit zwischen dem Produktmanager und Entwickler kannst du auf die Weise ganz gut abheben. Da nutzen wir es. Da ist es ein Vorteil. Da ist Software für die Produkte, die daraus hoffentlich bald entstehen, ein inhärenter Anteil für den Bereich additive Fertigung.

    Bei der Blockchain-Technologie ist es eigentlich ein reines Software Thema. Da sind wir ja erstmal so gestartet, dass wir gesagt haben: Blockchain-Technologie, was ist das eigentlich, was kann das, was tut das? Heute stehen wir an dem Punkt, dass wir sehen, da werden viele Experimente durchgeführt, von Start-ups, die die unterschiedlichsten Use Cases versuchen umzusetzen. Da haben wir auch eins am Start. Das eine richtet sich auf das Wärme-Messwesen in Deutschland, also das Heizungskalorimeter-Ablesungwesen, das gerade auch vom Bundeskartellamt untersucht wurde. Es gibt eine starke Marktkonzentration. Vier Unternehmen teilen sich diesen Markt. Sie haben sehr hohe Margen, EBIT-Raten von 30, 35, 40 Prozent. Das hätten wir auch gerne.

    Nils: Ja, klingt sehr attraktiv.

    Christopher: Und die teilen sich 80 Prozent des Marktes untereinander auf. Es wurde festgestellt, das ist ein oligopolistischer Markt. Da wird der Regulator aktiv werden, um mehr Transparenz mehr Interoperabilität zu schaffen, und wir haben gesagt: “Mensch komm, Heizkosten ablesen, wozu brauchst du einen großen Verwaltungsapparat? Du braucht das Gerät an der Heizung und dahinter im Idealfall eine vertrauenswürdige Datenbank, eine Blockchain, die das absichert, und eine Software, die dann die Abrechnung erstellt. Heute sitzt niemand mehr in den Unternehmen und rechnet das manuell aus.“ Und da sind wir losgelaufen und entwickeln den Demonstrator und werden die Werbetrommel rühren, um zu sagen, in Deutschland werden 1,7 Milliarden Euro für diese Dienstleistung ausgegeben. Vorher hatte ich erwähnt, bei den Firmen gibt es 30 bis 40 Prozent EBIT-Marge. Das heißt, wir rechnen mit 400 bid 500 Millionen, die wir alle für eine einfach Dienstleistung zu viel zahlen. Diese halbe Milliarde wieder zu sozialisieren und den Leuten ein Stück weit zurückzugeben, das könnte eine solche verteilte Lösung auf Basis der Blockchain-Technologie ermöglichen, aber es ist kein dünnes Brett zu bohren, weil du viele Endpunkte an den Heizungen hast. Bei 40 Millionen Haushalten in Deutschland kommt schon einiges zusammen.

    Nils: Dazu hab ich einen Gedanken, wo es wieder richtung Kulturwandel und Vertrauen geht. Wir wohnen in einer Wohnanlage, wo es eine gemeinschaftlich genutzte Heizung gibt und einmal im Jahr kommt der Ableser, wahrscheinlich von einem dieser vier Vereine. Vor ein paar Jahren sind diese Teile bei uns ausgetauscht worden und sind jetzt theoretisch remote auslesbar. Ich habe ihn gefragt: „Warum muss ich einen halben Tag zu Hause sein?“ Er hat gesagt: “Ich könnte das von außen machen, wenn es dafür freigeschaltet wäre, aber die Eigentümergemeinschaft will das nicht. Die wollen hinterher einen Zettel haben, auf dem ich unterschreibe, welche Werte ich abgelesen habe.”

    Das heißt, es gibt schon eine Technik um es remote auszulesen, die ist nicht Blockchain basiert, also fehlt das Vertrauen. Glaubst du, dass Blockchain das Puzzlestück ist, dass dieses Vertrauen bekommt?

    Christopher: Ja, ob die Eigentümergemeinschaft in deinem Fall das auch erkennen und wertschätzen kann, ist eine spannende Frage. Ich hoffe, dass das so ist. Das ist eine sehr spezielle Situation. Der Auftraggeber für den Ablesedienst ist der Besitzer des Mietobjekts, zahlen muss es aber der Mieter, über die Nebenkostenabrechnung. Das heißt, dem Vermieter ist es per se egal, was es kostet. Er selber hat keine Kosten zu tragen. Je angespannter die Situation der Mietpreise ist, umso mehr zählt natürlich jeder Euro, den du zu viel zahlst, und umso genauer muss man hinschauen, wo die Kohle bleibt, was man als Mieteinnahmen bekommt und was man als Nebenkosten draufschlagen muss.

    Vertrauen ist eines der Versprechen oder Erwartungen, die wir mit Blockchain verbinden. Ohne humanes Vertrauen  auszukommen, ohne die Notwendigkeit einer Beziehung und des menschlichen Fleisch und Blutes, das etwas unterschreibt. Sondern, dass wir durch die Gestaltung des technischen Systeme wissen, Beschiss funktioniert nicht. Diesem Wandel unterliegen wir alle. Das hat nicht nur etwas mit Blockchain zu tun, sondern auch mit dem selbstfahrenden Auto, dem du dich irgendwann hingibst und sagst: Hoffentlich läufts. Auch da spielt Vertrauen eine große Rolle – und wie wir uns als Gesellschaft gegenüber der Technik aufstellen, ist im Fluss und ein spannendes Thema.

    Nils: Ja, auf jeden Fall. Ich bin gespannt, ob ich mir demnächst keinen Tag mehr frei nehmen muss für die Heizungsablesung.

    Im Prinzip sind das alles State-of-the-Art-Technologien. Softwareentwicklung ist etwas, das seit Jahrzehnten praktiziert wird, und es gibt größere Firmen, die jahrzehntelange Praktik-Prozesse in der Softwareentwicklung haben. Ist das ein Thema für euch, dass ihr agile Softwareentwicklung knacken müsst, oder habt ihr spät genug angefangen, um direkt am Puls der Zeit zu sein?

    Christopher: In Teilen, ja. Es wird spannend, wenn die Teams größer werden. Im Moment ist die Zusammenarbeit zwischen zwei oder drei Leuten leicht zu organisieren. Der Weg geht aber dahin, dass man Businessleute und Produktmanager mit differenzierten Rollen integriert und sich ein agiler Modus Operandi bei uns noch herausbilden muss.

    Ich würde uns nicht als besonders reife Organisation bezeichnen. Wir sind gut aufgestellt, weil wir klein, hands-on und pragmatisch sind. Ein Overhead oder V-Modell gibt es per se nicht. Damit gehen aber auch Probleme einher. Wo ist jetzt nochmal die Spezifikation, was ist mit der Architektur, wo haben wir das aufgeschrieben? In welchen Slack-Channel muss ich das suchen?

    Wie kann gutes Wissensmanagement funktionieren?

    Christopher: Ich habe kürzlich erst mit Till, meinem Geschäftspartner, diskutiert. Wir haben es als Ergebnissicherung umschrieben. Man könnte auch Wissensmanagement dazu sagen. Je mehr Wissen bei uns in der Organisation entsteht, umso wichtiger wird es das wieder auffindbar zu machen, zu dokumentieren und mit einem spielerischen Charakter umzusetzen, dass es nicht als Belastung empfunden wird, sonder nebenher entsteht. Es gibt da ein gutes Beispiel: Manche unserer Projekte erfordern einen Halbjahresbericht, den wir dann einer externen Partei, einem Fördergeber, einem Finanzier oder einem Kunden zur Verfügung stellen. Teilweise nehmen wir einen Slack-Channel und verarbeiten ihn zu einem lesbaren Bericht, was durchaus praktikabel ist und große Vorteile bietet.

    Nils: Das stimmt. Das Thema Kommunikation und Wissensmanagement habe ich heute schon in einigen Kontexten gehört. Vorteil: Es gibt viele coole Kanäle, die es früher nicht gab. Nachteil: Es gibt ganz schön viele coole Kanäle und oft benutzt man sie alle.

    Christopher: Absolut. Und dann wird eine Diskussion per E-Mail begonnen, in WhatsApp fortgesetzt, in Slack weitergeführt, mit Handlungssträngen, die parallel verlaufen. Holla, die Waldfee. Das ist kaum mehr nachvollziehbar. Ein unified Messenger ist mir nicht bekannt, wo man alles praktikabel zusammen hätte. Bei Microsoft Office 365 mit Jena und Teams und allem möglichen Zusätzen, sind gute Ansätze dabei. Doch es ist nicht so attraktiv. Und intuitiv bedienbar wie Slack ist es lange noch nicht. Häufig arbeitest du dich durch deine Mails, dann guckst du in WhatsApp, dann guckst du in Trello, dann in Slack und dann kannst du wieder von vorne anfangen, weil genug Mails aufgelaufen sind. Das ist ein kleines Perpetuum mobile, wo man nur das tut. Und hat man dann was Wertschöpfendes geleistet, Fragezeichen?

    Nils: So gesehen, eine Herausforderung, welche die Digitalisierung mit sich bringt.

    Christopher: Ja, eine neue Herausforderung

    Was würdest du anders machen, wenn du neu anfangen könntest?

    Nils: Eine letzte Frage zum Thema Software. Gibt es irgendetwas, was du anders machen würdest, wenn du heute neu anfangen könntest? Oder hattet ihr in einzelnen Projekten zu wenig Komplexität?

    Christopher: Was mir aktuell Bauchschmerzen macht, ist der Toolflow-Zirkus, weil wir nicht vorgegeben haben, für welche Zwecke es zu nutzen ist. Ich fand, es war ein spannender Weg, erst zu klären, wie wir kommunizieren wollen und dann, wenn wir noch wollen, die Firma zu gründen. In den einzelnen Gesellschaften und Betriebsteilen sind die Teams sehr ergebnis-verantwortlich und müssen daher gucken, welche Arbeitsinstrumente sie brauchen und sich das organisieren. Durch diese Freiheit verwendet der eine Dropbox, der andere Google Drive, der dritte Office 365. Das sind nur die statischen Dateien. Es setzt sich in den Tools natürlich fort. Auf die Dauer verliert man den Überblick und hat dann auch Silos, wo die berühmten Synergie-Effekte nicht stattfinden können, weil alles eingesperrt ist. Jetzt sind wir dabei, dort nachzusteuern und zu sagen: “Wir wollen jetzt nicht per Order-Mufti alles vorgeben, aber wir wollen ein Grundset an gemeinsamer Technologie und Tools etablieren und die Kollegen mitnehmen, das gemeinsam zu  nutzen, indem man Vorteile aufzeigt.”

    Nils: Das kann ich mir vorstellen. Eure spezielle Struktur mit den vielen verschiedenen Themen nebeneinander, spielt aber sicher auch eine Rolle.

    Christopher: Ja, natürlich.

    Welches Problem im Bereich Digitalisierung würdest du am liebsten über Nacht lösen?

    Nils: Was ist für euch das größte Thema im Bereich Digitalisierung, das du angehen willst? Oder anders: Wenn du über Nacht ein Thema lösen könntest, was sollte morgen aus der Welt sein?

    Christopher: Den Aktenwust im Personalwesen zu digitalisieren. Jeder Brief, den ich kriege, ist ein Graus, weil ich den erst scannen und dann weiterverarbeiten muss. Ich hab mir bis jetzt keinen schickilacki Scanner angeschafft. Hier ein kleiner Einblick in mein Leben. Der beste Platz, um mit dem Smartphone etwas zu scannen, ist mein Ceran-Kochfeld, weil es schwarz ist und die Dunstabzugshaube darüber beleuchtet ist. Ich leg das Papier auf das Kochfeld, zieh die Dunstabzugshaube aus, mach die Beleuchtung an, damit ich eine homogene Ausleuchtung habe, und scanne dann mit dem Smartphone alles, was ich schriftlich kriege. Wenn ich das Papier nicht brauche, schmeiße ich es weg und hebe es nur digital auf. Unterlagen wie ein Gesellschaftsvertrag werden abgelegt. Ein Medienbuch ist das klassische Beispiel, wirklich pain in the ass. Man muss dahin kommen, dass man Schriftform-Erfordernisse digital abdecken kann. Das geht heute grundsätzlich, mit dem digitalen Personalausweis, digitalen Signaturen, etc. Eine weitere kleine Anekdote: Du kriegst als Österreicher keinen elektronischen Personalausweis aus Deutschland und der Östereichische ist mit den deutschen Systemen nicht kompatibel.

    Nils: Das ist 2017 ja auch zu viel verlangt.

    Christopher: Ich hoffe, das ändert sich in absehbarer Zeit. Der Personalausweis ist eine traurige Geschichte. Meiner Meinung nach ist er noch nicht dort angekommen, wo er sein könnte. Blockchain ist vielleicht eine einfachere Technologie, wo man einfacherer vorankommen kann. Wir werden es sehen. Aber ich glaube, dass die digitale Welt noch einen Schritt nach außen tun kann, was die Grenze von digitaler zu physischer Welt betrifft. Alles was Papier anbelangt, fällt für mich unter diesen Schritt. Es wäre für mich ein Traum, das loszuwerden.

    Nils: Ich guck mal, was ich machen kann. (Beide lachen)

    Hilfreiche Quellen zur Digitalisierung

    Nils: Was ist die hilfreichste Quelle zum Thema Digitalisierung, die du regelmäßig oder kürzlich gelesen oder gehört hast?

    Christopher: Der Heise-Newsletter, den ich mir auf heise.de mit interessanten Themen zusammengsetöpselt habe. Digitalisierung ist auch ausdifferenziert in IT-Security und Industrie 4.0 und weiß der Kuckuck, was noch alles. Den lese ich jeden Tag in der früh und der hält mich auf dem Laufendem.

    Nils: Spannend. Wen hättest du hier gerne als Gast im Podcast? In einem anderen Interview habe ich gehört, ich sollte Emmanuel Macron zur internationalen Digitalisierung interviewen. Ich weiß nicht, ob ich das dieses Jahr noch hinbekomme. Wünsch dir was.

    Christopher: Vielleicht eine unmögliche Aufgabe. Finde Satoshi Nakamoto.

    Nils: Das ist doch das Wort zum Sonntag.

    Das war unser heutiges Gespräch mit Christopher Nigischer von der Consider IT GmbH. Vielen Dank für das Gespräch, Christopher.