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Wie müssen wir uns in den nächsten Jahren organisieren, um mit unserem Unternehmen zukunftsfähig zu werden und zu bleiben? Welches Führungsverständnis müssen und wollen wir leben, damit wir unsere Ziele erreichen? Und wie können wir die neue Unternehmenskultur nachhaltig und konkret im Arbeitsalltag verankern? Diese und andere Fragen erarbeitet und beantwortet Markus Baumanns in seiner täglichen Praxis als Unternehmensberater mit seinen Kunden.
Gemeinsam mit Torsten Schumacher hat er 2010 die company companions gegründet und berät seither KMUs, Start-Ups und Non-Profit-Organisationen zu den Bereichen Strategie, Führung, Kulturwandel und (digitale) Transformation.
Im Interview mit Nils erklärt er, wie die digitale Transformation in Unternehmen von innen heraus klappen kann, was die größten Hindernisse sind und wie Unternehmer es schaffen, Skeptiker von ihren Ideen zu überzeugen.
Die drei großen Themen der Digitalisierung
Für Markus Baumanns setzt sich das Thema Digitalisierung aus drei großen Kernfragen zusammen, denen sich alle Unternehmen stellen müssen. Der erste Aspekt betrifft die Digitalisierung von Prozessen, also die Frage danach, welche bestehenden Prozesse im Unternehmen sich wie digitalisieren lassen und welchen Nutzen ein Unternehmen dadurch hat.
Die zweite große Frage betrifft die Geschäftsmodelle eines Unternehmens: Welche neuen Geschäftsmodelle lassen sich durch die Digitalisierung entwickeln? Welche alten Geschäftsmodelle müssen auf den Prüfstand gestellt und überdacht werden? Und wie können Unternehmen künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge für sich und ihre Geschäftsmodelle nutzen?
Die dritte Kernfrage, die Baumanns für mindestens ebenso relevant hält wie die Frage nach den Geschäftsmodellen, ist diejenige der Unternehmenskultur. Denn viele Unternehmen seien von ihrer Kultur her gar nicht für die Digitalisierung und die damit einhergehenden Umwälzungen aufgestellt.
Digitale Transformation im Inneren der Unternehmen
Der entscheidende Aspekt für den künftigen Erfolg eines Unternehmens ist laut Baumanns deshalb die „digitale Transformation im Inneren“: „Es geht um ein völlig anderes Denken, Handeln und Arbeiten. Weg von dem klassischen Organigramm nach Befehl und Gehorsam hin zu einer extrem stark auf Eigenverantwortung beruhenden Handlungsweise.“ Diese erfordere laut Baumanns sehr viel Selbstdisziplin des Einzelnen – und das sei ungewohnt für Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen, da diese Selbstdisziplin den Mitarbeitern vorher durch klare Berichtslinien und Befehlsstrukturen abgenommen worden sei.
Baumanns zufolge tun sich insbesondere produzierende Betriebe und Unternehmen mit einer hohen Ingenieursdichte schwer mit der neuen Art des Arbeitens. „Das deutsche Ingenieurwesen hat immer nach Perfektion gestrebt. Heute kann man sich aber nur noch langsam nach vorne tasten und man muss auch mal mit halbfertigen Produkten an den Markt gehen. Das liegt den deutschen Ingenieuren gar nicht.“
Zudem sei der Umgang mit der neuen Arbeitsweise stark generationsabhängig: Insbesondere Geschäftsführer und leitende Angestellte aus den geburtenstarken Jahrgängen, die nun Mitte fünfzig sind, haben laut Baumanns Schwierigkeiten damit, sich auf die neuen Anforderungen durch die Digitalisierung einzustellen. Oft wären sie schon 20 Jahre und länger in dem betreffenden Unternehmen tätig und hätten dessen Erfolg nach einem bestimmten Muster mitgeprägt. „Doch auf einmal sind die Erfolgsfaktoren von gestern nicht mehr die von morgen. Das ist für diese Generation nur schwer verdaulich.“
Deshalb ist es laut Baumanns auch kein Zufall, dass sich momentan viele mittelständische Unternehmen von leitenden Angestellten dieser Generation trennen: Die Mitarbeiter verlassen die Betriebe frühzeitig mit guten Abfindungen – und die Unternehmen haben die Möglichkeit, eine jüngere Generation ans Ruder zu lassen, die sich voll und ganz auf die Digitalisierung einlässt.
Schrittweiser Kulturwandel
Eine komplette Transformation der Unternehmenskultur ist nicht von heute auf morgen möglich. Und in der Regel sind auch nicht alle Mitarbeiter davon begeistert. Viele wollen die bisherige Arbeitsweise und die alten Strukturen nicht verändern.
Ein erster sinnvoller Schritt, um einen Kulturwandel in die Wege zu leiten, kann deshalb sein, Schlüsselstellen im Unternehmen mit Menschen zu besetzen, die anders denken und anders arbeiten wollen. Ihnen sollte man laut Baumanns ein Pilotprojekt überantworten, dass sie nach ihren Vorstelllungen vorantreiben können. Wichtig ist dabei, dass es sich nicht um ein kleines Nebenprojekt, sondern im Gegenteil um ein wichtiges Projekt handelt. Zudem sollte an dem Projekt möglichst transparent und sichtbar für alle Mitarbeiter gearbeitet werden. So kann das Interesse an der neuen Arbeitsweise geweckt und die Skepsis allmählich in Enthusiasmus umgewandelt werden.
Der japanische „Obeya Room“ als Innovationstreiber
Baumanns führt hierzu das Beispiel des „Obeya Rooms“ an. „Obeya“ bezeichnet im Japanischen einen großen Raum. Im Projektmanagement wird dieser genutzt, um größtmögliche Transparenz zu schaffen und offene Meetings zu ermöglichen mit dem Ziel, schnell und abteilungsübergreifend neue Ideen und Lösungswege zu entwickeln.
Ein Kunde von Baumanns hat diese Idee des Obeya Rooms übernommen – und einen solchen offenen Raum mitten in der Kantine bereitgestellt. Dort wurde an verschiedenen Projekten gearbeitet, Halbausgereiftes vorgestellt und Ideen und Lösungsansätze gemeinsam weiterentwickelt. Mit Erfolg: Immer mehr Mitarbeiter zeigten Interesse an der neuen Art des Arbeitens und bald brachten sich auch Kollegen ein, die die Neuerungen zu Beginn eher skeptisch beobachtet hatten.
Das Spannende an der Methode: Die Unternehmen verändern sich nach und nach von Innen heraus und oft entsteht dabei eine Eigendynamik, die die Entwicklung viel schneller vorantreiben lässt, als es durch klassische Methoden möglich gewesen wäre. Warum das so ist? Weil die Mitarbeiter erkennen, dass sie eigene Verantwortung haben und dass sie sich einbringen und Prozesse aktiv gestalten und verändern können.
Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
Wenn es um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle geht, ist es Baumanns zufolge zunächst einmal wichtig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was ein Unternehmen unter „Innovation“ überhaupt versteht und verstehen will.
„Innovation“ definieren
Laut Baumanns gibt es zwei verschiedene Arten der Innovation: die inkrementelle Innovation, bei der Bestehendes nach und nach verändert wird, und die disruptive Innovation, bei der das Unternehmen und seine Geschäftsmodelle von Grund auf erneuert werden. Nur die Letztgenannte ist laut Baumanns eine wirkliche Innovation. Um diese durchzusetzen, müssen die Unternehmen aber tatsächlich bereit sein, sich für ein ganz neues Denken zu öffnen – und beispielsweise von einem B2B-Geschäft zu einem B2C-Geschäft wechseln oder sich gegebenenfalls sogar selbst kannibalisieren (bevor sie von anderen kannibalisiert werden).
Zwei „Betriebssysteme“ im Unternehmen
Zudem sollten sich Firmenlenker stets bewusst machen, dass die meisten Unternehmen momentan mit zwei Betriebssystemen laufen: Das erste ist dasjenige, das tatsächlich produziert und wertschöpfend tätig ist. Bei diesem kann die Digitalisierung vor allem eine Steigerung der Effizienz bedeuten. Das zweite Betriebssystem erwirtschaftet in der Regel momentan noch kein Geld. Es ist dasjenige, in dem Innovationen entwickelt werden und dass das Unternehmen für die Zukunft rüstet. Beide Betriebssysteme sind also essentiell, um den Erfolg eines Unternehmens zu sichern. Bei dem zweiten allerdings, kann es deutlich länger dauern, bis der Erfolg tatsächlich sichtbar wird.